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Schule: Alles hängt mit allem zusammen

Der neue X5 fährt sich sportlich und narrensicher – was auch daran liegt, dass im Verborgenen des BMW ständig Blitzkonferenzen stattfinden

So etwas nennt man den Fluch der guten Tat. Wer für den neuen X5 das aufpreispflichtige „Adaptive Drive“ ordert, bekommt tatsächlich, was BMW verspricht: ein Auto, das sich selbst bei schneller Fahrt durch enge Kurven kaum zur Seite neigt. Die Ingenieure sind zu Recht stolz auf ihren „Wankstabilisator“. Das System funktioniert picobello. Allein – die Technik macht ihren Job so gut, dass der Mensch nicht mitkommt. Fahrer und Beifahrer sind es offenbar gewohnt, dass Autos in Kurven leicht schräg stehen. Bleibt das Fahrzeug aber trotz sportlichster Fahrt in der Waage, empfindet man das als unnormal – und neigt den Oberkörper instinktiv in die Richtung, in die jedes „normale“ Auto einknicken würde.

Doch der überarbeitete X5 ist kein normales Auto. Dafür hat er zu wenige Schwächen. DTC*, ADB*, HDC*, CBC* und der Kürzel weit mehr: Was die Bayern an technischen Features in die zweite Generation dieses SUV hineingepackt haben, sprengt im Einzelnen den Rahmen, summiert sich aber zu einem gelungenen Gesamtwerk. Es wimmelt nur so von kleinen Computern, Sensoren, Messinstrumenten und (erstmals im Autobau eingesetzten) Hochgeschwindigkeits-Datenkabeln. Nichts davon ist für die Passagiere zu sehen. Dabei ist im Verborgenen der Teufel los. Unentwegt werden Messergebnisse hin und wieder her geschaufelt, schalten sich Allrad, Fahrwerk und Motor zu Blitzkonferenzen zusammen. Zustand der Straße, Tempo und Antriebsmoment, die aktuelle Lenkkraft, die Dämpfung der Stoßdämpfer, die Verzögerung der Bremsen und und und – alles vermerkt und vernetzt mit dem Ziel, dem Auto jedwede Straße untertan zu machen. Ob aus Asphalt plötzlich Geröll wird, ob der Fahrer zu mutig in die Kehre rast oder bei Gefahr zu kraftlos in die Eisen geht: Der X5 gibt eine Antwort, noch bevor aus der aktuellen Situation die Frage entsteht, was am Steuer zu tun sei. Kein Rad dreht durch, kein Heck bricht aus. Der Wagen bleibt beherrschbar, der Fahrer beherrscht.

Dass derlei entspanntes Reisen und Gleiten nur mit gescheiten Motoren zur vollen Blüte gelangt, versteht sich. Wir haben bei ersten Ausfahrten den Dreiliter-Diesel mit sechs Zylindern und den Benziner mit derer acht gefahren. Beide schieben den X5 mit Gewalt und durchaus beeindruckenden Leistungswerten (siehe Kasten) nach vorne; beide machen die 2,2 Tonnen Gewicht vergessen, die bewegt werden wollen. Obwohl der Achtzylinder in Sachen Laufkultur nicht zu schlagen ist, geben wir dem Diesel den Vorzug. Sein Schub setzt extrem früh ein; der sonore Klang beim Gasgeben gefiel unterwegs genauso wie danach der Blick auf die Tankuhr: neuneinhalb Liter nach sehr sportlicher Fahrt.

Der Antrieb kombiniert gut mit der neu entwickelten Sechsgang-Automatik. Die ist serienmäßig in allen Versionen des X5 und wechselt ebenso schnell wie geschmeidig die Gänge – zudem hatten wir den Eindruck, die Automatik ahne momentgenau, wann wir hoch- oder niedertourig zu reisen gedachten. Kein Zufall: Derart stimmige Gangwechsel sind wieder das Resultat der Kreuz-und-quer- Kommunikation im X5. Die Elektronik analysiert ohne Unterlass Motordrehzahl, Lenkwinkel und Fußdruck aufs Gaspedal (!). Mit dem Ergebnis solcher Rechenexzesse werden die meisten Eigner mehr als zufrieden sein und gar nicht erst auf die Idee kommen, die Automatikgänge von Hand zu wechseln. Schade, denn dazu lädt das Bedienteil zwischen den Vordersitzen nachgerade ein. BMW hat die automatiktypische Schaltkulisse durch einen elektronisch gesteuerten Stick mit kurzen Hebelwegen ersetzt. Zwar entspricht das Schaltschema der üblichen Anordnung, der Hebel fährt allerdings nach dem Betätigen in die Ausgangsstellung zurück. Die Parkposition wird per Druck auf die P-Taste oben eingelegt.

Daran muss man sich erst gewöhnen – aber ist dieses Gefährt zum Stehenbleiben nicht ohnehin viel zu teuer? Wer sich zu Zeiten des echten Geldes einmal geschworen hat, nie, wirklich niemals ein Auto jenseits der Hunderttausend-Mark-Grenze anzurühren, der hat beim X5 ein Problem. Bei genau 51 900 Euro beginnt die Freude am Fahren. Auch damit haben die Bayerischen Motoren-Werke ein Ziel schon mal erreicht: Der X5 hebt sich ab.

*Das bedeuten die nicht nur von Freaks gern genommenen Kürzel: Die Dynamische Traktion Control (DTC) ermöglicht auf lockerem Schnee oder Sand das leichte Durchdrehen der Antriebsräder. Die Automatic Differential Brake (ADB) bremst ein Rad automatisch ab, das durchzudrehen droht. Die Hill Descent Control (HDC) erlaubt es, kontrolliert steile Hänge hinabzufahren. Und die Cornering Brake Control (CBC) verhindert beim Bremsen in Kurven unerwünschtes Eindrehen.

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