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Schule: Außen hart und innen ganz weich

Ein Pick-Up fällt immer noch auf. Den Ranger baut Ford als komfortables Nutztier für Freaks und Profis – leider ohne Partikelfilter

Einen Unterschied gibt es zwischen den Automobilnationen Deutschland und USA allemal: während die Amis geradezu vernarrt sind in ihre Pick-Ups, fristet der Pritschenwagen zwischen Rhein und Oder ein trauriges Nischendasein. Zudem ist er in Deutschland noch nicht einmal in allen Darreichungsformen verfügbar – in den Staaten cruisen neben den kleinen vor allem Midi- und Full-Size-Pick-Up-Trucks durch die Prärie. Der Marktanteil der hier üblichen „Minis“ à la Nissan Navara oder Toyota Hilux beträgt in Deutschland gerade einmal 0,3 und in ganz Europa 0,8 Prozent. Das aber könnte sich ändern, zeigt die Absatzkurve doch immer steiler nach oben.

Ein Grund: Das Nutzfahrzeug präsentiert sich nicht mehr nur als reines Arbeitstier, sondern auch als komfortabler Begleiter im Alltag. Pkw-artige Innenräume mit Features vom Getränkehalter bis zu elektrischen Fensterhebern und diversen Zierleisten signalisieren diesen Trend. Für manche Kunden ist es aber schlicht der American way of drive, der den Reiz ausmacht.

Das hat auch Ford erkannt. Nachdem Mazda vor kurzem seinen BT-50 vorstellte, ist Ford nun mit dem baugleichen neuen Ranger an den Start gegangen und will vom aufgehenden europäischen Pick-Up-Kuchen ein großes Stück abhaben. Vom Branchenführer Mitsubishi L-200, der laut Kraftfahrtbundesamt im vergangenen Jahr 4770-mal zugelassen wurde, ist Ford aber noch ein ganzes Stück entfernt: der Ranger-Vorgänger verkaufte sich lediglich 1216 Mal. Zweitbeliebtester Pick-Up war der Nissan Navara. Insgesamt gab es 2006 rund 11 500 Neuzulassungen. Zum Vergleich: Richtig erfolgreiche Modelle verkaufen sich weit über 100 000 Mal im Jahr.

Wer Pick-Up fährt, fällt also auf. Neben den „Gewerbetreibenden“ (Gärtner, Förster, Landwirte) oder „Privatpersonen“, die den Ranger und seine Mitstreiter als Zugmaschine für Pferdetrolleys oder Bootshänger und damit für ihr kostspieliges Hobby nutzen, sind es folgerichtig die „Individualisten“, auf die es Ford absieht. Jürgen Stackmann, Verkaufsleiter bei den Kölner Ford Werken nennt sie schlicht „Cowboys“ oder „Freaks“, die sich vom Durchschnitt abheben wollten.

Für Angela Sadtler vom 4x4-Pick-Up-Club Deutschland und seit 23 Jahren passionierte Pick-Up-Fahrerin, sind das alte Kamellen. Schon lange sei die Pritsche keine Modeerscheinung mehr, auch staunende Blicke an der Ampel seien ein veraltetes Klischee – wie auch das Ochsengeweih auf der Haube. Ein „flexibler Wagen für die verschiedensten Lebensbereiche“ sei er und fast so normal wie ein Golf. Dass der Pick-Up hier dann doch nicht so gängig wie etwa in Thailand ist, wo Ranger und BT-50 produziert werden und das Straßenbild prägen, das belegen die Zahlen.

Wie dem auch sei – auf der um 170 Liter auf ein maximales Ladevolumen von 1266 Litern erweiterten Ranger-Pritsche, die je nach Aufbauart von 1,75 Meter bis 2,28 Meter misst, finden Enduros oder Surfbretter ebenso Platz wie Torfsäcke oder Motorsägen. Besonders stolz sind die Ford-Entwickler auf die 22-prozentige Senkung des Spritverbrauchs bei gleichzeitiger Steigerung der Leistung des Dieselaggregats von 109 auf 143 PS gegenüber dem Vorgänger. Der Allradantrieb ist jetzt während der Fahrt zuschaltbar, allerdings muss der Wagen dazu im 4H-Modus gestartet werden, sonst funktioniert’s nicht. Treiben einmal alle vier Räder Leiterrahmen und Karosse an, fährt es sich auf schneebedeckter Straße selbst bergab wie auf Schienen. Bei aktiviertem Unterlege-Getriebe ist auch ein 15 Grad ansteigender unbefestigter Waldweg in winterlichem Ambiente kein Problem für das Arbeitstier: Mechanische Differentialsperren dirigieren die Antriebskraft seitengetrennt an die Räder mit der jeweils größeren Traktion. Im Inneren herrscht kommodes Ambiente, die Topversion wird sogar mit Ledersitzen ausgeliefert, die beheizbar sind – jedoch nicht seitengetrennt.

Augenscheinlich unbeeindruckt von der aktuellen Klimadebatte, umso mehr aber von der Aussicht auf weiter steigende Absatzzahlen, frohlockt Verkaufsleiter Stackmann: „Es gibt viel Luft für Pick-Ups in Deutschland!“. Dass der Ranger, der seit Ende Februar beim Händler steht, je Kilometer 244 Gramm CO2 emittiert und ohne Rußpartikelfilter vom Band läuft, wird weniger offen kommuniziert. Auch für seine Mitstreiter kann der Filter, wenn überhaupt, nur nachgeordert werden. Dies könnte den aufflackernden Pick-Up-Trend in Zeiten einer der größten Sinndebatten in der Geschichte des Automobils ausbremsen. Nicht nur deshalb stehen die Zeichen eher schlecht, dass der Pick-Up wie in den USA auch in Europa zum Mythos erhoben und mit einem so liebevollen Spitznamen wie „Cowboy Cadillac“ versehen wird.

DREI KAROSSERIE-

VARIATIONEN

Der Ranger wird auch mit knapper Einzelkabine für Fahrer und Beifahrer angeboten (zu haben nur in der Basisvariante XL, ab 23 740 Euro). Zudem steht die „Extra Cab“ mit 2 mal 2 Sitzen und gegenläufig öffnenden Türen bereit, die ebenso wie die fünfsitzige Doppelkabine ( „Double Cab“ ) mit allen Ausstattungsvarianten (XL, XLT, XLT Limited) kombiniert werden kann.

PREISE &

AUSSTATTUNG

Ein XLT kostet mindestens 29 809 Euro , ein XLT Limited mit Ledersitzen und einem Instrumentenpanel mit Offroad-Infos wie dem Kippwinkel ab 32 606 Euro. ABS, Allradantrieb und Airbags für Fahrer und Beifahrer sind ab der Basisversion Serie. Ein Navi ab Werk gibt es übrigens nicht, ein Fall für den Zubehörhandel . Zum Preisvergleich: Die Top-Variante des baugleichen Mazda BT 50 mit großer Kabine steht ab gut 29 000 Euro bei den Händlern. srw

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