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Schule: Ein Auto kommt selten allein

Ford wird 100 – Mit dem T-Modell und dessen Fließbandproduktion schuf Ford die Voraussetzungen für die Massenmotorisierung

Daimler, Maybach und Benz haben das Auto erfunden, das unsere Welt so tiefgreifend verändern sollte, wie nur wenige Erfindungen, schuf sie doch die Voraussetzungen für eine bis dahin unvorstellbare Form der persönlichen Mobilität, die in den Industrieländern zu ganz neuen Strukturen von Wirtschaft und Gesellschaft führte. Doch während das Auto in der Alten Welt noch für lange Zeit ein Luxusspielzeug für Wohlhabende blieb, ging Henry Ford in der Neuen Welt schon kurz nach der Jahrtausendwende daran, es zu einem ganz normalen und für jedermann erschwinglichen Gerät zu machen – legte den Grundstein für die Massenmotorisierung. „Ich werde ein Fahrzeug für die Masse bauen und sein Preis wird so erschwinglich sein, dass es sich jeder leisten kann“, beschrieb er seine Vision.

Und seine am 16. Juni 1903 und damit vor exakt 100 Jahren in Dearborn nahe Detroit in Michigan gegründete Ford Motor Company, deren fünftägige Geburtstagsfeiern unter dem Motto „The Road is ours“ mit Zehntausenden Besuchern bereits am Donnerstag begonnen haben, stellte 1908 mit dem T-Modell, das schon bald als Tin Lizzie Karriere machte, eines der einfachsten aber auch zuverlässigsten und preiswertesten Autos auf die Räder. Ein kinderleicht zu bedienendes robustes Fahrzeug, das so narrensicher funktionierte wie eine Sanduhr und das ohne Extras gerade einmal 280 Dollar kostete. Ein Auto aber auch, das bald schon in einer für damalige Zeiten revolutionären Menge aus den Fabriken rollte, nachdem Ford im neu gebauten Werk Highland Park 1913 erstmals ein Fließband einrichtete, so dass bald alle zehn Sekunden ein neues T-Modell aus dem Werk rollte – industrielle Massenfertigung statt Handwerk, die gewaltige Gewinne abwarf. Der trotz seines Erfolges asketisch lebende Ford ließ seine soziale Ader spielen. Denn er verkürzte die tägliche Arbeitszeit seiner Arbeiter von zehn auf acht Stunden und verdoppelte den täglichen Mindestlohn auf fünf Dollar. So wurde das T-Modell selbst für die Ford-Arbeiter erschwinglich.

Montage im Westhafen

Das Unternehmen wuchs, expandierte nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo zahlreiche neue Fabriken entstanden, sondern auch weltweit, insbesondere auch in Europa. Schon bald nach der Firmengründung entstanden erste Verkaufsniederlassungen in Großbritannien und Frankreich und bereits 1911 errichtete Ford in Manchester sein erstes europäisches Werk und bald auch eines in Bordeaux. Verstärkt wurden die Europa-Aktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg. Von 1919 an wurde das T-Modell in Kopenhagen montiert, ein weiteres Montagewerk begann im Freihafen von Cadiz, 1922 nahm ein Werk in Triest die Arbeit auf und 1925 wurde die erste deutsche Ford-Gesellschaft gegründet, die 1926 in Berlin im Westhafen mit der Montage des T-Modells begann, das allerdings schon arg in die Jahre gekommen war, technisch einfach überholt war. 1927 endlich wurde es, bis dahin waren 15 007 033 Ford-T davon immerhin 320 000 in Europa, gebaut worden – ein Produktionsrekord, den erst ein halbes Jahrhundert später der VW-Käfer brechen sollte.

Neben dem T-Modell baute Ford allerdings noch eine ganz andere Art von Fahrzeugen – Fordson-Traktoren. Der erste rollte 1919, in diesem Jahr übernahm Sohn Edsel die Unternehmensleitung von seinem Vater Henry, in dem speziell für den Traktorenbau errichteten irischen Werk in Cork vom Band. Und eine ganz besondere Rolle spielten Fordson-Traktoren bald in der Sowjetunion. Dort waren nach der Revolution bis zum Jahr 1926 mehr als 25 000 Fordson-Traktoren in der Landwirtschaft im Einsatz und in Leningrad wurde sogar eine Fabrik gegründet, die von den hoch angesehenen Fordson-Traktoren 20 Nachbauten pro Monat fertigte. Zehn Jahre über den 1935 laufenden Vertrag mit Ford in einem 1929 bis 1931 mit Unterstützung von Ford errichteten Werk in Nischni- Nowgorod, das seit 1932 Gorki hieß, nachgebaut wurde auch der Nachfolger des T-Modells – der Ford A, der einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der sowjetischen Autoindustrie leistete.

Auf den Markt gekommen war der Ford A im Jahr 1928, nachdem die Bänder in den amerikanischen Ford-Werken ein halbes Jahr zur Umrüstung auf das neue Modell still gestanden hatten. Binnen 36 Stunden begutachteten 10 Millionen Amerikaner dieses rundum neue und moderne Auto, das es erstmals auch als Station Wagon gab. Und mit rund 4,5 Millionen Exemplaren, die bis 1931 gebaut wurden, wurde auch dieses Auto zum Millionenseller. Ein Erfolgsmodell wurde auch sein Nachfolger, der seit 1932 gebaute erste V8, bei dessen Motor es Ford als erstem Hersteller gelungen war, den Zylinderblock in einem Arbeitsgang zu gießen – ein gewaltiger Produktionsvorsprung. Dieser Motor wurde zum Liebling der Amerikaner. Für Europa allerdings war dieses Auto ebenso wenig geeignet wie schon sein Vorgänger. Denn die dort erhobenen hohen Steuern nach Hubraum und die hohen Spritverbräuche drängten die großvolumigen Amerikaner, die zudem gegen wachsenden Protektionismus der Europäer im Gefolge der Weltwirtschaftskrise zu kämpfen hatten, schnell ins Abseits.

Der Kölner Buckel-Taunus

Bei Ford, wo man bereits 1928 beschlossen hatte, alle Europa-Aktivitäten im britischen Dagenham als dem „Detroit Europas“ zu bündeln, wo 1931 ein mit einem Investitionsaufwand von fünf Millionen Pfund errichtetes hochmodernes Werk seinen Betrieb aufnahm, musste man schnell handeln, um Dagenham vor der Schließung zu bewahren. In einer Rekordzeit von nur fünf Monaten entwickelte man den ersten Ford speziell für Europa. Einen Kleinwagen mit einem 0,9-Liter-Motor, der in Dagenham als Ford Eight, in Frankreich als Ford 6CV und in Deutschland in den seit 1931 in Köln ansässigen Ford-Werken als Ford Köln gebaut wurde. Ein Auto, das in Großbritannien einen durchschlagenden Erfolg hatte und in seinem Segment schnell 40 Prozent Marktanteil eroberte.

Die politischen Entwicklungen im Europa der Dreißiger und der Zweite Weltkrieg ließen die Idee des Ford-Zentrums für Europa in Großbritannien platzen – die europäischen Werke entwickelten sich auseinander. Als nach dem Zweiten Weltkrieg, mit dessen Ende Henry Ford II das Steuer des Unternehmens in die Hand genommen hatte, die britische Tochter 1950 die neuen Modelle Consul und Zephyr präsentiert, sind das die ersten Fords mit selbsttragender Karosserie und obengesteuerten Motoren und weltweit die ersten mit McPherson-Federbein-Vorderachse, die schnell Industriestandard geworden ist. In Köln rollte zu jener Zeit noch der bereits 1939 vorgestellte Buckel-Taunus vom Band, dem 1952 mit dem Taunus 12 M der erste Nachkriegs-Ford mit modernem Design folgte. Designgeschichte schrieb Ford Köln 1960 mit dem Ford 17 M mit seinen rundlichen Formen, der unter dem Motto „Die Linie der Vernunft“ antretenden „Badewanne“. Und zwei Jahre später gab es mit dem neuen Taunus 12 M eine technische Revolution – denn er hatte Frontantrieb und erstmals einen V4-Motor unter der Haube.

1968 gelang es Ford mit dem Escort, endlich wieder ein gesamteuropäisches Modell auf die Räder zu stellen – ein Erfolgsmodell ebenso wie der 1969 erscheinende Capri. 1976 tritt der Fiesta an, ein frontgetriebener Kleinwagen aus einem neuen Ford-Werk in Valencia, mit dem Spaniens Autoindustrie einen großen Sprung nach vorn macht. Während amerikanische Ford-Modelle in Europa nur eine Nebenrolle spielen, gelingt es den europäischen Töchtern, immer neue Bestseller auf die Räder zu stellen und 1984 zur meistverkauften Marke in der alten Welt zu werden. Bis zu einem dramatischen Flop. Denn der 1985 vorgestellte Scorpio mit seiner beispielgebenden Raumökonomie, seinem Maßstäbe setzenden Fahrwerk und einem ABS als Serienausstattung kann nur in einer sehr gewöhnungsbedürftigen Schrägheck-Variante weder als Kombi noch als Stufenheckmodell die Nachfolge des erfolgreichen Granada antreten – und er scheitert, womit Ford nicht nur ein ganzes Marktsegment verliert – sondern auch viel Image.

Inzwischen ist Ford in Europa mit den neuesten Versionen von Mondeo, Focus und Fiesta, mit Ka und Streetka, Fusion, Transit Connect und Transit und dem künftigen Kompaktminivan C-Max neben dem Galaxy wieder gut aufgestellt und erfolgreich, bietet modernste Diesel-Direkteinspritzer und erstmals auch Benzin-Direkteinspritzer an und erreicht Spitzenplätze bei der Zuverlässigkeit und Pannensicherheit. Und unters Ford-Dach in Europa gehören neben Jaguar inzwischen auch Volvo, Aston Martin und Land Rover.

Dass amerikanische Autofahrer offenbar andere Prioritäten haben als Europäer, beweisen die Erfolge von Ford dort mit solchen Modellen wie dem Pickup F150, den spritschluckenden Modellen wie Explorer und Bronco 4x4 oder so simplen Autos wie dem Crown Victoria mit Kastenrahmen und Hinterradantrieb. Aber in Amerika stehen tief greifende Akzentverschiebungen an – eine Herausforderung für William Clay Ford Jr., mit dem das Unternehmen seit 2001 wieder von einem Familienmitglied geführt wird.

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