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Schule: Gefühl für Gas und Gummi

Motorradfahrer sollten sich zum Saisonstart ein paar Trainingsstunden gönnen

Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachen auch die Motorradfahrer wieder aus dem Winterschlaf – und das heißt für alle Verkehrsteilnehmer, besondere Vorsicht walten zu lassen. Denn die Autofahrer müssen sich erst wieder an die Anwesenheit von Motorrädern im Verkehrsgeschehen gewöhnen und die Zweiradfahrer sollten ebenfalls mit Vorsicht in die neue Saison starten. Abläufe, die mit der Routine im Sommer gleichsam von allein vonstatten gehen, sind jetzt noch etwas eingerostet.

Bevor es auf die erste Frühlingsfahrt geht, sollten sich Motorradfahrer deshalb ein paar Eingewöhnungsstunden nehmen. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Fahrlehrer zum Beispiel helfen gern, die eingerosteten Erfahrungen wieder lebendig werden zu lassen. Eine oder zwei Fahrstunden kosten nicht viel, können aber einigen Schaden verhindern helfen. Darüber hinaus veranstalten der ADAC und andere Verkehrsorganisationen Motorrad-Sicherheitstrainings.

Wer solche Kosten dennoch scheut, kann auch in Eigenregie trainieren. Das beginnt bei der fürs Motorradfahren erforderlichen Wahrnehmung – etwa das Sehen bei Schräglage in Kurven, der Sicherheitsblick beim Abbiegen oder Ausscheren aus der Fahrspur.

Die Hände haben die Aufgabe, Kupplung, Gas und Bremse dosiert zu bedienen. Dieses Zusammenspiel muss nicht nur in bewusste Handlungen umgesetzt werden, sondern soll auch als Reflex in Notsituationen verfügbar sein. Genau diese Routine, die man sich nach der Winterpause erst wieder beschaffen muss, erfordert Übung. Dazu eignen sich freie Parkplätze – etwa sonntags – oder ein anderweitig freies und sauberes Stück Straße. Natürlich sollten Anwohner verschont bleiben, also muss das Ganze zumindest in einem Gewerbegebiet stattfinden. Zudem sollte man mindestens zu zweit sein. Ein Beobachter der Fahrkünste hat sicher ein paar nützliche Tipps parat und außerdem ist Hilfe zur Hand, falls doch ein kleiner Ausrutscher geschieht. Ein bisschen Kreide oder Gegenstände, die als Wegmarken fungieren, sind ebenfalls dienlich.

Das Gefühl für Gas und Kupplung kommt schnell zurück, wenn man eine etwas albern aussehende Übung nutzt, die aber bei kaum einem Fahrtraining fehlt: Man geht neben dem Motorrad her, das im ersten Gang rollt. Dabei dürfen weder der Motor abgewürgt, noch das Schritttempo verlassen werden.

Anschließend aufgesessen, folgen Brems- und Kurvenübungen, dann beides kombiniert als Ausweichhaken. Wichtig ist, dass man bis an die Blockiergrenze der Räder geht – nur so lassen sich die Griff- und Trittreflexe für den Notfall schulen. Entscheidend dabei ist es, die Bremse sofort wieder zu lösen, falls das betreffende Rad tatsächlich blockiert. Anschließend gilt es, sich wieder fast an diesen Punkt heranzutasten.

Da solche Übungen aber reichlich Gummi kosten, sollten die Reifen an der Grenze ihres nutzbaren Profils angekommen sein. Bei nagelneuen Pneus verbieten sich jegliche Scherze (vor allem bei Nässe), weil ihre Oberfläche noch mit Trennmittel überzogen sein kann. Solche Stoffe, zumeist auf Silikonbasis, werden bei der Herstellung benötigt, damit sich der fertige Reifen aus der Produktionsform löst. Die ersten 100 Kilometer und die ersten Kurven müssen mit neuen Pneus also vorsichtig gefahren werden. Außerdem kann man sich dabei gleich an ein anderes Fahrverhalten gewöhnen. Je nach dem Abfahr-Zustand des alten und der Profilform des neuen Reifens fährt sich das Motorrad unter Umständen ganz anders.

Bremsübungen auf sicherer Strecke haben noch einen weiteren Vorteil. Denn hier lässt sich ohne Gefahr „erfahren“, dass der Bremsweg mit zunehmender Geschwindigkeit exponentiell steigt. Eine Faustformel besagt, dass der Bremsweg einem Zehntel der Geschwindigkeit zum Quadrat entspricht. Bei Tempo 30 sind das neun Meter, bei 50 km/h schon 25 Meter, bei Tempo 100 dementsprechend 100 Meter. All das sind grobe Werte, die mit guten Bremsen und auf trockener Fahrbahn deutlich unterschritten werden – aber nur dann.

Eine Übersicht über Trainings gibt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat unter der Internetadresse www.dvr.de.

Gideon Heimann

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