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Landesschülersprecherin Alea Mostler, 16, geht auf das Schadow-Gymnasium in Zehlendorf.

© Kai-Uwe Heinrich

Interview mit Landesschülersprecherin: „Bitte keine Streiks zur Prüfungszeit“

Die neue Landesschülersprecherin Alea Mostler über Inklusion, Sitzenbleiben und die Wünsche der Berliner Schüler.

Alea, du bist seit kurzem neue Landesschülersprecherin. Was hast du dir für deine Amtszeit vorgenommen?

Mir ist besonders wichtig mehr über unsere Arbeit aufzuklären, denn schließlich ist in Berlin auch das Schulsystem demokratisch aufgebaut, was bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben mitzubestimmen und uns für die Themen einzusetzen, die uns am Herzen liegen. Der Landesschülerausschuss ist  das oberste demokratisch legitimierte Gremium der Berliner Schülerschaft, aber viele wissen gar nicht, dass es uns gibt und welche Partizipationsmöglichkeiten sie als Schüler haben. Außerdem wollen wir uns vermehrt um aktuelle Themen kümmern. Auf unserer nächsten Sitzung geht es zum Beispiel um das Thema „Sitzenbleiben‘“. Wir wollen uns eine Meinung bilden und laden Referenten ein, die sowohl den rechtlichen als auch den pädagogischen Aspekt des Sitzenbleibens erläutern können. Demnächst möchten wir auch Referenten zum Thema Inklusion einladen.

Was hältst du denn persönlich vom Sitzenbleiben?

Sitzenbleiben hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Ich kenne Schüler denen das Sitzenbleiben geholfen hat, da sie den verlorenen Stoff dringend nachholen mussten.  Ich kenne aber auch welche, die so komplett aus ihrem sozialen Umwelt rausgerissen wurden. Ob eine Person sitzenbleiben soll, sollte man von Fall zu Fall unterschiedlich entscheiden. Die Entscheidung sollten Pädagogen, in Zusammenarbeit mit Eltern, vielleicht auch mit den betroffen Schüler selbst, treffen. Denn für jeden ist etwas anderes gut.  Aber ich glaube das Problem liegt viel tiefer. Einfach nur das Sitzenbleiben abschaffen, löst das eigentliche Problem nicht, nämlich Mangel an individueller Förderung.  Ich fände es gut, wenn man in eine bessere individuelle Förderung investieren würde, bevor es überhaupt zum Sitzenbleiben kommt.

Und wie stehst du zur Inklusion?

Ich finde es eigentlich selbstverständlich, dass an den Schulen alle akzeptiert und miteinbezogen werden. Ich finde es aber nicht so gut, wenn Förderschulen geschlossen werden, die bisher gute Arbeit geleistet haben.

Im Moment ist ja an den Schulen einiges los. Die angestellten Lehrer haben schon mehrfach gestreikt und haben jetzt angekündigt, dass es nach den Ferien weitergehen könnte. Findest du das richtig?

Ich kann die angestellten Lehrer verstehen und unterstütze auch ihre Forderung, dass sie das gleiche Gehalt wie ihre verbeamteten Kollegen bekommen. Aber die Streiks finde ich problematisch, besonders, wenn sie jetzt nach den Osterferien passieren. Es stehen so viele Prüfungen an, Abitur, Mittlerer Schulabschluss und andere Klausuren und es fällt ohnehin schon viel Unterricht aus – gerade durch den langen Winter waren viele Lehrer krank. Bei den Streiks sind die Schüler die Leidtragenden. Wir haben deshalb an die Gewerkschaft und die Politik appelliert, jetzt eine schnelle Lösung zu finden.

Ihr habt außerdem Schüler aufgerufen, euch Bilder von maroden Schultoiletten zu schicken.

Ja, das geht auf einen Wettbewerb der German Toilet Organisation zurück, die für den Gewinner des Wettbewerbs Gelder zur Sanierung bereit stellen will. Im Bezug auf den Wettbewerb wollten wir uns einfach allgemein einen besseren Überblick über die aktuelle Situation verschaffen. Die Toiletten sind wirklich an vielen Schulen ein großes dauerhaftes Problem. Es ist wichtig, dass da nach und nach etwas gemacht wird. Es wäre außerdem wünschenswert, wenn insgesamt mehr in die Ausstattung und Qualität der Schulen investiert wird, dass also genügend Bücher da sind und andere Lernmaterialien, auch Computerräume und Schulbibliotheken.

Hast du denn das Gefühl, dass du von Politikern und anderen Erwachsenen, denen du als Landesschülersprecherin begegnest, ernst genommen wirst und Gehör findest?

Ja, das finde ich schon. Es wenden sich viele Organisationen und Initiativen an uns, die zum Beispiel mit Schülervertretungsarbeit zu tun haben und fragen nach unserer Meinung. Auch sind wir zum Teil für die Politiker Ansprechpartner. Wenn die Bildungssenatorin wissen will, wie die Schüler bestimmte Themen sehen, kann sie  uns jederzeit ansprechen.

Hast du dich denn schon mit Frau Scheeres unterhalten?

Nein, noch nicht. Aber wir haben sie zu unserer Klausurtagung im April eingeladen. Falls sie nicht kommen kann, dann wird Staatssekretär Rackles dabei sein und wir werden ein anderes Mal mit ihr sprechen.

"Viele wollen sich einbringen, aber wissen nicht wie"

Wie bist du selbst dazu gekommen, dich in der Landesschülervertretung zu engagieren?

Ich interessiere mich schon seit langem für Politik, will mich aber im Moment noch nicht auf eine Partei festlegen. Es gibt so vieles, was wir verändern und verbessern können. Wir haben das Glück in einer Demokratie zu leben, in der wir mitreden und mitgestalten können. Politik ist einer der besten Wege, um dies auszuleben. Seit ich vierzehn bin, engagiere ich mich in Schülervertretungen. Nach den letzten Sommerferien bin ich zur Innenreferentin gewählt worden, durch dieses Amt konnte ich immer mehr Erfahrungen sammeln und Kontakt zu den Bezirken aufbauen.

Was gefällt dir an der Arbeit?

Ich treffe bei der Arbeit in den Ausschüssen sehr  viele unterschiedliche, beeindruckende Leute und mache unglaublich tolle Erfahrungen, das ist wirklich spannend. Zudem haben wir die Möglichkeit gemeinsam als Schüler etwas zu verändern, wenn wir uns für ein Thema einsetzen. Auch lernt man auf eine ganz andere Weise, sich die Zeit einzuteilen.  

Wie viel Zeit investierst du denn?

Eigentlich mache ich jeden Tag etwas, zum Beispiel E-Mails beantworten oder Sitzungen vorbereiten. Pro Monat leite ich momentan drei Sitzungen, den Landesschülerausschuss, den  Bezirksschülerausschuss und die (G)SV an meiner Schule. Außerdem nehme ich noch jeden Monat an mehreren Gremiensitzungen teil, z.B. Schulkonferenz, etc. Es ist viel, aber es macht mir einfach Spaß, es ist schließlich nicht nur Arbeit, sondern auch mein Hobby.

Nach einer aktuellen Studie des Kinderhilfswerks sind Jugendliche zunehmend von der Politik enttäuscht und haben auch selbst weniger Lust, sich zu engagieren. Hast du diesen Eindruck auch?

Meiner Meinung nach hat die Studie Recht und zum Teil auch nicht. Die Schüler der Schülervertretung unserer Schule sind sehr aktiv und engagiert, besonders auch die Jüngeren. Auch die Schülerinnen und Schüler, die in den Gremien arbeiten sind engagiert und stellen tolle Projekte auf die Beine. Viele möchten sich gerne einbringen, wissen aber nicht genau wie und wo sie das machen können, deshalb ist Aufklärung auch so wichtig. In diesem Zusammenhang haben wir an unserer Schule auch ein Infoblatt erstellt, auf dem die ganze Berliner Schuldemokratie mit Erklärung der Gremien als Fließdiagramm dargestellt ist. Durch wachsenden Zeit- und Leistungsdruck, könnte ich mir aber auch vorstellen, das Partizipation und Engagement abnimmt. Das bekomme ich teilweise auch mit, aber kaum in Kreisen der Schülervertretungsarbeit. Allgemein ist es wichtig besser zu vernetzten und zu informieren.

Auch mit der Landesschülervertretung, die sich vor Jahren als alternatives Gremium gebildet hat?

Ich kann mir vorstellen, auch mit ihnen Kontakt aufzunehmen und vielleicht sogar gemeinsame Projekte organisieren. Ich freue mich über jeden, der sich engagiert. Es muss aber klar sein, dass wir nach dem Berliner Schulgesetz das demokratisch legitimierte Gremium aller Berliner Schülerinnen und Schüler sind, denn die LSV ist ein Verein.

Der Landesschülerausschuss fordert seit langem, dass es mehr finanzielle Unterstützung für eure Arbeit geben müsste. Findest du das auch?

Wir haben einen Etat von 1200 Euro pro Jahr. Das ist zwar schon mehr, als wir im Vorjahr erhalten haben, aber immer noch wenig, und wenn wir mal eine Tagung machen wollen, müssen wir genau rechnen, wen wir einladen können oder wie man das Essen finanziert. Im Vergleich dazu bekommt Hamburg zum Beispiel 20.000 Euro plus Zuschüsse. Aber Frau Scheeres hat uns angeboten, dass wir am Ende des Jahres auf sie zukommen können, wenn das Budget nicht ausreicht.

Du bereitest dich gerade auf den Mittleren Schulabschluss vor. Hältst du die Prüfung an Gymnasien für sinnvoll?

Grundsätzlich sind die Prüfungen eine gute Wiederholung und Übung  für die Oberstufe. Dennoch finde ich, dass man sich über die Schriftlichen Prüfungen noch einmal Gedanken machen sollte, denn viele Oberstufenschüler mit denen ich gesprochen habe, meinten, dass lediglich die Präsentationsprüfung sinnvoll wäre, da man dort am meisten Erfahrung für die Oberstufe sammeln kann.  Zudem kommen noch viele andere Arbeiten, Kurzkontrollen, etc. dazu,  was für ziemlichen Stress und Zeitdruck sorgt. Die genannten Punkte sollte man besser berücksichtigen, auch sollte man gucken, wir andere Bundesländer das handhaben. In Niedersachen gibt es zum Beispiel keinen MSA.   

Und was machst du in den Ferien?

Da lerne für die Klausuren und bereite die Präsentationsprüfung vor, außerdem mache ich mit einer Freundin ein Geschichtsprojekt für die Schule. Ein paar Tage besuche ich auch meine Großeltern.

Das Gespräch führte Sylvia Vogt.

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