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Schule: Ist die Pappe weg, bleibt sie weg

Die Europäische Union schiebt dem Führerscheintourismus einen Riegel vor

Mit den mehr oder weniger legalen Tricks, die es deutschen Verkehrssündern bisher ermöglichten, im EU-Ausland eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben, ist es bald vorbei. Das Europäische Parlament hat kurz vor Weihnachten eine Richtlinie verabschiedet, die dem sogenannten Führerscheintourismus einen Riegel vorschiebt.

Bundesbürger, die ihre Fahrerlaubnis im eigenen Land nur noch nach der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) zurückerhalten würden, nutzen bisher häufig den Weg ins benachbarte Ausland. Besonders Polen, aber auch Tschechien haben sich hier zu beliebten Reisezielen entwickelt. Versuche deutscher Behörden, so erworbene EU-Führerscheine abzulehnen, scheiterten am Europäischen Gerichtshof. Der befand letztmalig im November, dass von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellte Fahrerlaubnisse bedingungslos anzuerkennen sind. Voraussetzung ist lediglich, dass zum Zeitpunkt der Ausstellung keine im eigenen Land verhängte Sperrfristen mehr bestanden – beispielsweise nach einer Trunkenheitsfahrt. Auch die Nachforderung einer MPU durch deutsche Behörden ist rechtlich umstritten.

Bedingung für den Erwerb eines Führerscheins im EU-Ausland ist zwar auch, dass der Bewerber seinen Wohnsitz für mindestens 185 Tage in dem Staat haben muss, in dem die neue Fahrprüfung erfolgt. Bei vielen Anbietern ist deshalb die Anmeldung eines Scheinwohnsitzes bereits im Pauschalpreis enthalten. Tatsächlich muss der Kandidat selbst meist nur zweimal für wenige Tage die Grenze überschreiten, so schildert es die Ablaufbeschreibung auf einschlägigen Websites. Bei einem möglichen Gerichtsverfahren muss er dann allerdings nachweisen, dass sein Lebensmittelpunkt für den fraglichen Zeitraum im Ausland lag.

Von Juli 2004 bis November 2006 wurden den deutschen Behörden nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums mehr als 5900 Fälle bekannt, in denen Bundesbürger im europäischen Ausland einen Führerschein erhielten, obwohl sich ihr Hauptwohnsitz in Deutschland befand. Der Mehrzahl dieser Autofahrer war die Fahrerlaubnis hier wegen Alkohol- oder Drogendelikten entzogen worden. Bei der MPO kann in diesen Fällen auch durch Laboruntersuchungen geprüft werden, ob weiterhin ein entsprechendes Konsumverhalten vorliegt.

Jetzt hat die EU diesem Personenkreis die Hintertür zugeschlagen. Nach der neuen EU-Richtlinie darf kein Mitgliedsstaat mehr einer Person einen Führerschein ausstellen, deren Fahrerlaubnis im Heimatland eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde. Der Aufbau einer europäischen Datenbank soll die künftig notwendigen Nachfragen erleichtern. „Deutsche Behörden haben nun wieder eine effiziente Handhabe, um zu verhindern, dass Alkohol- oder Drogensünder sich unter Umgehung deutschen Rechts Führerscheine im Ausland erschleichen, um weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu können“, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee.

Die neue Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft und muss dann noch von den einzelnen Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Führerscheintouristen bleibt somit noch eine Galgenfrist von einigen Wochen bis Monaten. Folglich überschlagen sich die zahlreichen Anbieter im Internet gegenwärtig beim Konkurrenzkampf um die Kunden mit Schnäppchenangeboten. Unter rund 1200 Euro (meist zuzüglich der Reisekosten) ist die Pkw-Fahrerlaubnis (Klasse B) hier dennoch kaum zu erhalten.

Mit der neuen Richtlinie wurde auch die EU-einheitliche Fahrerlaubnis festgeschrieben, mit der die derzeit 110 verschiedenen Führerscheinmodelle in der EU abgelöst werden. Deutsche Autofahrer, die noch die alte, graue „Pappe“ besitzen, haben für den Umtausch allerdings noch 26 Jahre Zeit.

Rainer W. During

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