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Tatra

© Grovean Bockenkamm

„UMWELT BAUT BRÜCKEN“: Gut für Touristen, schlecht für Gämsen

Berliner und slowakische Schüler recherchieren gemeinsam: In der Hohen Tatra werden Hotels gebaut. Pflanzen und Tiere leiden unter dem Eingriff ins Ökosystem.

Im Juni besuchten 23 Elftklässler des Berliner Dathe-Gymnasiums 22 Gymnasiasten im slowakischen Poprad. Im Rahmen des Projekts „Umwelt baut Brücken – Jugendliche im europäischen Dialog“ recherchierten sie gemeinsam die Bedeutung des Umweltschutzes für die Hohe Tatra. Unterstützt wird der Austausch, an dem 34 deutsche und osteuropäische Schulen teilnehmen, von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und dem Aachener Izop-Institut. Die folgenden Texte und das Interview haben die Jugendlichen gemeinsam geschrieben.

Ein klarer Bergsee auf 1346 Metern, umgeben von schroffen Felsen, die zum Teil hinter Wolken verborgen sind. Grün bewaldete Hänge, durchzogen von Bachläufen, begleiten unsere vierstündige Wanderung um den Strbske Plese, den Tschirmer See. Ein typisches Bild, hier in der Hohen Tatra, dem kleinsten Hochgebirge der Welt. Auf engstem Raum begegnet uns eine einzigartige Flora und Fauna, angefangen bei seltenen Pflanzen über einmalige Gämse- und Murmeltierarten bis hin zu Raubtieren wie Luchs und Bär. Dieser Naturraum, der Nationalpark Hohe Tatra (Tanap), ist ein beliebtes Urlaubsziel für Wanderfreunde aus ganz Europa. Aber die Idylle ist bedroht.

„Wir als Wanderer stellen keine große Gefahr dar, doch Skitourismus schädigt die Umwelt durch den Betrieb von Liftanlagen und Schneekanonen“, sagt Juraj Svajda, der bei der Tanap die Abteilung für Umwelt-und Artenschutz leitet. So werde aus dem See in Zeiten geringen Schneefalls Wasser entnommen, um mit Schneekanonen künstlich Pisten anzulegen und dem Hotelbesitzer die Saison zu retten. Das stelle einen gefährlichen Eingriff in ein äußerst sensibles Ökosystem dar, welches seltene Tierarten beherbergt, zum Beispiel den Sih Marena, einen nur hier beheimateten Fisch.

Wir setzen unseren Weg fort, um in einem Gasthaus eine Pause einzulegen. Der Aufwand, um ein derartiges Haus hier oben zu bauen, ist enorm, sagt Svajda. Die neuen Baumaßnahmen seien ökologisch gesehen fahrlässig, zumal nicht genutzte, leer stehende Hotels immer noch das Landschaftsbild verschandelten. Ein weiteres Problem sind eingeschleppte fremde Tiere und Pflanzen, die beginnen, die seit Jahrtausenden hier heimischen zu verdrängen . Juraj Svajda veranschaulicht uns das anhand einer auffällig großen Pflanze am Wegesrand mit Namen Riesenbärenklau, in deren Schatten der Boden kahl ist. Diese Pflanze habe es früher hier nicht gegeben.

Drei Millionen Touristen jährlich

Andererseits, das sieht auch die Tanap, tragen die rund drei Millionen Touristen, die jährlich die Hohe Tatra besuchen, zum Wirtschaftsaufschwung der Slowakei bei. Die Gäste kommen vor allem aus den Nachbarländern, aufgrund neuer Verkehrsanbindungen aber auch aus England und Russland.

Wir kommen an einem Getreidefeld vorbei, das einem Privatmann gehört. Das Gebiet der Hohen Tatra ist zur Hälfte in staatlichem Besitz, der übrige Teil unter privaten Eigentümern aufgeteilt. Die Bewirtschaftung der Flächen wurde durch die Einteilung in verschiedene Schutzzonen stark eingeschränkt. In Zone A ist durch strengste Regelungen, laut denen völlige Naturbelassenheit gewährleistet sein muss, der Grundbesitz wirtschaftlich unrentabel. Zone B wird hauptsächlich für sportliche Aktivitäten genutzt. Diese Regelung ist nach wie vor umstritten. Die privaten Eigentümer wollen mehr Land für gewinnträchtige Forstwirtschaft nutzen, der Tanap geht es um die Erhaltung der Natur.

Der Konflikt zwischen Staat und privaten Eigentümern schwelt schon 40 Jahre. 1956 wurden sämtliche Almhütten verboten, die Bewirtschaftung der privaten Flächen wurde untersagt. Die Besitzer forderten daraufhin eine Abfindung oder wollten weiterhin von ihrem Land profitieren. Dem Staat allerdings fehlte es nach Jahren der Planwirtschaft an Mitteln, um die Grundbesitzer zu entschädigen. Auch drei Jahre nach dem Eintritt der Slowakei in die EU gibt es noch kein entsprechendes Finanzmodell.

Naturschützer sehen in der EU-Initiative Natura 2000 einen Ansatz, der ökonomische und ökologische Ziele versöhnen könnte. Die EU will ein Netz von ökologischen Rückzugsgebieten aufbauen. Zurzeit umfasst es rund 18.000 Gebiete, deren Gesamtfläche in etwa der Größe Frankreichs entspricht. In diesen Bereichen soll die Erhaltung der Artenvielfalt gesichert und ein funktionierendes Ökosystem garantiert werden. Auf der restlichen Fläche könnte Forstwirtschaft betrieben werden.

Den Text haben verfasst: Nina Bender, Anne-Sophie Gutsche, Grovean Bockenkamm, Anne Freitag und Ulrike Jähnichen

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