zum Hauptinhalt
Neues Konzept: Deutsch-Garantie an der Schule.

© dpa

Integration: Versuch: Deutschtest für die Aufnahme in die erste Klasse

Trotz Kritik: Seit fünf Wochen gibt es Berlins erste Klasse, in der garantiert Deutsch gesprochen wird. Jeder Schüler muss sich einem Deutsch-Test unterziehen. Es soll nicht die letzte Klasse dieser Art bleiben.

Berlin - Joshua, Kübra, Keno und Nalia hüpfen durchs Klassenzimmer und rappen den „Buchstaben-Rap“: „G wie Gabel, F wie Feder, R wie Radio – das weiß jeder!“ Ganz selbstverständlich ist es nicht, dass das jeder weiß. Und genau deswegen sind die 24 Erstklässler der Gustav-Falke-Grundschule in Berlins erster Klasse, in der garantiert Deutsch gesprochen wird.

Seit dem Beginn des Schuljahres vor fünf Wochen gibt es die Klasse 1f an dieser Schule in Gesundbrunnen, an der mehr als 80 Prozent der Kinder Migrationshintergrund haben. Irgendwann, sagt Schulleiterin Karin Müller, waren die deutschen Eltern weggeblieben. Als jedoch der Einzugsbereich der Schule erweitert wurde und sich einige Eltern aus Mitte weigerten, ihre Kinder in die Falke-Schule zu schicken, gab es Handlungsbedarf. Eltern und Schulleitung trafen sich, gemeinsam wurde festgelegt, was eine gute Schule ausmacht: Einen Schwerpunkt auf Naturwissenschaften, Englisch ab der ersten Klasse – und eine „deutsche Sprachumgebung“, wie Müller es nennt.

Die Kinder absolvierten also einen Sprachtest, rund 80 von 100 Punkten mussten erreicht werden, um in die Klasse aufgenommen zu werden. „Eine Quote für Deutsche oder Migranten gibt es nicht“, sagt Müller. Der Sprachtest allerdings führte zu mehr Anmeldungen deutscher Kinder: In der Deutsch-Garantie-Klasse lernen nun rund 50 Prozent Kinder ohne, 50 Prozent mit Migrationshintergrund, darunter aus Russland, Polen, Ghana, der Türkei oder Serbien. „Das ist Integration“, sagt Klassenlehrerin Sabine Gryczke zufrieden.

Dieser Meinung waren nicht alle. Kritiker befürchteten „Segregation“ oder die Bildung einer „Eliteklasse“. „Das hat nichts mit Deutschtümelei zu tun“, sagt jedoch der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu, der das Projekt von Beginn an unterstützte. „Das ist eine multikulturelle Klasse.“ Auch Schulleiterin Müller sagt, die 1f tue der Schule gut. Einige Kinder mit hohem Sprachniveau, die nicht mehr aufgenommen werden konnten, weil es mehr Anmeldungen als Plätze gab, sind nun in anderen Klassen untergebracht.

Die Deutsch-Förderstunden, die die 1f nicht braucht, kommen anderen zugute. Und an der Englisch-AG können alle Erstklässler der Schule teilnehmen. Auch die Eltern zeigen sich zufrieden. Polly Schminke aus Mitte, deren Sohn in die Klasse geht, hatte sich zunächst in der Bürgerinitiative gegen die Zuweisung zur Schule engagiert. „Ich hatte Angst, dass mein Sohn der einzige deutsche Muttersprachler in seiner Klasse sein würde“, sagt sie. Nun jedoch ist diese Befürchtung hinfällig. Der Sohn findet die Schule toll, „es läuft prima“, bilanziert Schminke die ersten Wochen.

Klassenlehrerin Gryczke schätzt die Unterstützung der Eltern: Sie strichen die Wände, die nun etwa mit Kindern aller denkbaren Hautfarben bemalt sind, sie kommen geschlossen zu Elternabenden. Dabei stammen nicht alle Schüler aus typischen Bildungsbürgerhaushalten: „Aber die Eltern wünschen sich etwas für ihr Kind“, sagt Gryczke.

Die Klasse wird bis ins Schuljahr 2013/2014 als Schulversuch geführt. „Wir bekommen aber keine zusätzlichen Mittel vom Senat“, sagt Schulleiterin Müller. Das müsse sich ändern, findet Özcan Mutlu. „Grundsätzlich aber können sich auch andere Schulen an diesem Modell ein Beispiel nehmen.“

Nach den Herbstferien beginnen die Anmeldefristen für die neuen Erstklässler, gerade war in der Gustav-Falke- Schule deshalb Tag der offenen Tür. Die Nachfrage war gut, sagt Karin Müller. Joshua, Nalia und die anderen können damit rechnen, bald nicht mehr die einzigen zu sein, die garantiert Deutsch sprechen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false