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Kurz vor ACHT: Verwirrende Gesetzeslyrik

Papier ist geduldig. Das mag sich Bildungssenator Jürgen Zöllner gedacht haben, als er erfuhr, was die Linkspartei so alles in das neue Gesetz für die Gemeinschaftsschulen eingefügt hat.

Papier ist geduldig. Das mag sich Bildungssenator Jürgen Zöllner gedacht haben, als er erfuhr, was die Linkspartei so alles in das neue Gesetz für die Gemeinschaftsschulen eingefügt hat. Dort gibt es jetzt nämlich eine kleine Klausel, die es – auf den ersten Blick – in sich hat. Denn sie besagt, dass jede Schule auf Antrag „Elemente“ der Gemeinschaftsschule übernehmen kann. Zu diesen Elementen zählt die Abschaffung des Probehalbjahrs und des Sitzenbleibens. Die Bildungsverwaltung hat stillgehalten, weil sie weiß, dass sich das Ganze bei genauerem Hinsehen vor allem als eines entpuppt – als Gesetzeslyrik.

Beispiel: Sitzenbleiben. Schon das neue Schulgesetz von 2004 empfahl den Schulen, weitmöglichst darauf zu verzichten, Schüler zum Wiederholen von Klassenstufen zu zwingen. Stattdessen sollten die Lehrer Förderpläne schreiben und Beratungsgespräche mit Kindern und Eltern führen. Das Ergebnis: Noch immer bleiben rund 13000 Kinder sitzen, denn die Schulen haben keinerlei zusätzliche Mittel, um schwache Schüler gezielt zu fördern. Die Förderpläne gerieten deshalb zur reinen Alibiveranstaltung. Die kleine Klausel im neuen Gesetz ändert an all dem nichts.

Ähnlich verhält es sich mit dem Probehalbjahr: Da in Berlin jeder Schüler das Recht hat, auf einem Gymnasium oder auf einer Realschule aufgenommen zu werden, wird das Probehalbjahr von den meisten Schulen als wichtiges Regulativ empfunden. Viele Schulen trennen sich nach dem ersten Halbjahr der siebten Klassen von 10, 20 oder sogar 30 Schülern, weil absehbar ist, dass sie Problemfälle bleiben. Auf das Probehalbjahr zu verzichten, hieße für diese Schulen, sich selbst zu belasten, denn weder Links- noch SPD-Fraktion geben einen Hinweis darauf, wie sie die Schulen zusätzlich unterstützen würden, die das Probehalbjahr abschaffen wollen.

Bliebe noch die Abschaffung der äußeren Leistungsdifferenzierung, also des Kurssystems an den Gesamtschulen, die ebenfalls zu den „Elementen“ der Gemeinschaftsschule gehört. Die Linkspartei behauptet, dass auch diese Möglichkeit von der Klausel abgedeckt sei – und verspricht auch damit mehr, als sie halten kann: Die Bildungsverwaltung sagte gestern auf Anfrage, dass diese Option nur für ein Kontingent von 25 Schulen bestehe, darunter die elf Gemeinschaftsschulen. Jede weitere Schule müsste eigens eine Ausnahmegenehmigung bei der in Bonn ansässigen Kultusministerkonferenz einholen.

Wie schön, dass das jetzt geklärt ist – allerdings erst, nachdem die Grünen auf diese Ungereimtheit im neuen Gesetz hingewiesen hatten. Ganz prosaisch.

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