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Wedding: Muslimische Gebete am Gymnasium

Heute wird die Klage eines muslimischen Schülers verhandelt, der in seinem Weddinger Gymnasium einen Raum zum Beten fordert.

Der Raum im Diesterweg-Gymnasium in Gesundbrunnen sieht aus wie ein ganz normales Klassenzimmer. Tafeln, Tische und Stühle sind zur Seite geschoben. Hier findet jedoch kein Unterricht statt – der Raum wird dem 16-jährigen muslimischen Schüler Yunus M. seit einem Gerichtsbeschluss im März 2008 als Gebetsraum zur Verfügung gestellt. Heute nun wird ein endgültiges Urteil in der Sache erwartet.

Vor eineinhalb Jahren hatte sich der damals 14-jährige Achtklässler Yunus M. zusammen mit weiteren Schülern zum Gebet auf dem Schulflur niedergelassen. Die Direktorin hatte ihm das Beten mit Verweis auf die Neutralität der Schule jedoch untersagt. Yunus M. klagte, unterstützt durch seinen Vater, einem zum Islam konvertierten Deutschen. Das Berliner Verwaltungsgericht entschied damals im Eilverfahren, dass das Gymnasium seinem Schüler vorläufig ermöglichen muss, das Beten einmal täglich in den Pausen „in einem für andere nicht ohne Weiteres zugänglichen Bereich des Schulgeländes zu ermöglichen“. Die Begründung: Religionsfreiheit erstrecke sich auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden. Durch die Zuweisung eines abgeschlossenen Raumes werde aber der Gefahr einer „demonstrativen bzw. werbenden Präsentation des Gebets“ begegnet.

Schulen samt Bildungspolitikern reagierten entsetzt und befürchteten, dass in der Folge noch mehr junge Muslime oder Schüler anderer Religionen einen Raum zum Beten verlangen könnten. Seine Haltung sei unverändert, sagte nun Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD): „Schule in öffentlicher Trägerschaft ist ein Ort von Erziehung und Bildung in einem weltanschaulich und religiös neutralen Rahmen. Dies gilt es sicherzustellen.“ Das friedliche Miteinander der Kulturen und Glaubensrichtungen werde so nicht gefördert, sondern nur erschwert, hieß es beim Berliner Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Darüber hinaus sei es „eine organisatorische Unmöglichkeit, Gebetsräume für alle, für die verschiedensten Religionen zu organisieren“, sagte Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen. Im Koran etwa stehe ohnehin ausdrücklich, dass die für einen gläubigen Muslim obligatorischen und auf den Tag verteilten fünf Gebete – wenn nicht anders machbar – nachgeholt werden könnten.

Dazu gehen die Meinungen allerdings auseinander: So empfiehlt der einflussreiche Berliner Imam Ferid Heider, sich auch in der Schulzeit an die Gebetspflichten zu halten und sich dafür „irgend ein Eckchen“ in der Schule zu suchen. Für das Gericht erörterte der Islamwissenschaftler und Jurist Mathias Rohe die Frage, wann und wie oft das Beten im Islam verschoben werden darf. Es scheint, als ob junge Berliner Muslime eher dazu tendierten, ihre Gebete nachzuholen: Der befürchtete Ansturm auf mögliche Gebetsräume blieb nach dem einstweiligen Urteil aus. „Unseres Wissens gibt es keine weiteren Klagen oder strittigen Fälle“, hieß es bei der Senatsbildungsverwaltung. Auch der Gebetsraum im Diesterweg-Gymnasium, an dem rund 80 Prozent der Schüler aus Einwandererfamilien kommen und 30 verschiedenen Nationaliäten angehören, werde „sehr selten frequentiert“, sagte Direktorin Brigitte Burchardt. Er finde es zwar gut, dass es einen Gebetsraum gebe, sagte etwa der 16-jährige Emin. „Aber obwohl ich selbst Muslim bin, nutze ich ihn nicht. Ich bete zu Hause.“ Dem Vernehmen nach hatte sich der Vater von Yunus M., der nicht mit der Presse sprechen wollte, auf eigene Faust entschlossen, vor Gericht zu gehen.

Das Thema Schule und Religion hatte die Berliner erst vor wenigen Monaten beschäftigt, als die Initiative „Pro Reli“damit scheiterte, den Religionsunterricht als Wahlpflichtfach einzuführen. „Die Berliner wünschen sich ihre Schulen als religionsfreien Ort“, sagte Özcan Mutlu dem Tagesspiegel. „Ich hoffe, dass das Gericht sein Urteil aus dem Eilverfahren vom letzten Jahr revidiert. Die Schule ist ein neutraler Ort, an dem Kopftücher, Kreuze oder Gebetsräume nichts zu suchen haben.“ Sofern das Urteil zugunsten des Klägers ausfalle und ein Präzedenzfall werde, könne es schwierig werden. Auch das Land Berlin hofft als Beklagter auf eine Trennung von Schule und Religion: „Wir befürchten, dass eine Entscheidung im Sinne der einstweiligen Verfügung nicht praktikabel wäre“, sagte Jens Stiller von der Senatsbildungsverwaltung dem Tagesspiegel.

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