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Schule: Wehe, Ihr sagt das weiter

Die heimische Autoindustrie hat ein hausgemachtes Problem. Erstaunt sieht sie zu, wie Andere sich und den Hybrid feiern. Dabei könnte man mit spektakulären Fortschritten beim Verbrauch punkten. Kennt irgendwer den 1er BMW als Fünfliterauto?

Mit den deutschen Autobauern ist es wirklich zum Haareraufen. Im giftigen Feinstaub einer Debatte um hohe Verbräuche und Schadstoffe ducken sie sich entweder weg. Bloß kein Verschlafnis à la Hybrid zugeben! Oder sie verkaufen sich dramatisch unter Wert: Deshalb wissen Kunden mit Sinn für die Umwelt viel darüber, was heimische Hersteller an Schädlichem verbockt, aber nichts davon, was sie an Nützlichem zuwege gebracht haben.

Offensichtlich ist es hochbezahlten Marketingprofis ein Leichtes, automobile Extremsportler und Geländeriesen im Bewusstsein der Nation zu verankern. Boliden also, die optisch was hermachen, inhaltlich aber angreifbar sind. Zu mühsam dagegen scheint es, unsichtbare, aber deshalb nicht minder spektakuläre Fortschritte in der Motorentechnik zu vermitteln. Die nämlich gibt es, auch wenn die Kampagnen dazu fehlen – wundere sich niemand, wenn ganz Deutschland glaubt, in der eigenen Industrie bewege sich nichts mit Sinn und Verstand.

Die Realität ist weiter. In diesen Monaten kamen und kommen Modelle mit Verbrauchswerten auf den Markt, die man Mercedes und BMW noch gar nicht und Volkswagen schon lange nicht mehr zugetraut hat. Nehmen wir den Polo „Blue Motion“. Mit 3,9 Litern lässt sich der fahren, seit einem halben Jahr unerkannt auf dem Markt; ein richtig flotter Kleinwagen, der anders als der selige Drei-Liter-Lupo ohne lebensfremden Öko-Zuschlag zu haben ist. Einen zweiten Blue Motion schiebt VW gerade vor die Werkstore – einen Passat, der Familien mit fünfeinhalb Litern durchs gescholtene Autoland transportiert.

Ganz recht: Es geht nicht länger darum, in der Umwelt-Ecke ein Alibi-Fahrzeug abzustellen und dort vergammeln zu lassen, wenn die positiven Schlagzeilen eingeheimst sind. Bei der Fahrt in die neue Zeit werden Volumenmodelle schluckoptimiert. Denn diesmal soll der Kunde tatsächlich einsteigen – statt Beifall zu klatschen, dann aber doch ein „richtiges“ Auto zu kaufen. Die Chancen für eine marktfähige Wende stehen gut. Schließlich sind die neuen Verbrauchsmeister keine abgemagerten, sondern vollwertige Typen, die teilweise sogar mehr Leistung zur Wahl stellen als ihre Vorgänger.

Das aktuelle Lieblingswort vieler Ingenieure heißt „Downsizing“. Der Begriff umschreibt ein Prinzip, das alte Fahrerweisheiten auf den Kopf zu stellen vermag: Heute nämlich kommt ein Mehr an Schmackes nicht nur von größerem, sondern auch mal von kleinerem Hubraum. Neue Verbrennungstechnologien, neue Turbos und Kompressoren helfen, den vermeintlichen Leistungsverlust in einen Leistungsgewinn umzumünzen. Die neue C-Klasse von Mercedes weist derlei Erfolge auf breiter Front vor; beim C350 etwa liest sich das so: Leistung plus 25 Prozent, Drehmoment plus 13, Verbrauch minus 10.

Bei BMW sind die Spareffekte noch verblüffender, wohl, weil man hier einem umfassenderen Ansatz verfolgt. Beim Hubraum specken die Münchener nicht ab; auch sie bauen die Motoren aber leichter und kleiner. Entscheidend ist das Gesamtpaket mit weiteren Bausteinen – zu besichtigen im neuen Musterschüler, dem 1er. Der profitiert von der fortschrittlichsten Motoreinspritzung der Welt genauso wie von anderen intelligenten Maßnahmen, alle dem Ziel verpflichtet, Energie und damit Sprit zu sparen (siehe BMW-Kasten). Manche Einzellösung davon ist neu. Wie die elektrische Wasserpumpe – früher musste für die ein Riemen angetrieben werden. Weitere Techniken wie die automatische Start-Stop-Funktion an der Ampel wurden auch schon von anderen Marken genutzt – niemals aber so schlüssig kombiniert wie heuer in Bayern.

Die Technik also kann sich sehen lassen. Was fehlt, ist die entsprechende Botschaft. Mal ehrlich: Haben Sie gewusst, dass BMW mit den partikelgefilterten 318d/320d zwei echte Fünfliterautos im Programm hat? Denen fehlt es nicht die Spur an Power und Fahrspaß; die CO2-Werte von weniger als 130 Gramm je Kilometer sind Spitze in dieser Klasse. Selbst verkaufsträchtige Rekorde wissen die Marken zu verstecken: Den ungeschlagenen CO2-Wert von 90 g/km, die der Smart-Diesel schafft, kommt bislang bestenfalls im Kleingedruckten vor.

Wie man der Öffentlichkeit das umweltbewusste Staunen beibringt, machen Andere vor: Toyota ist gut, Toyota ist Künast. Und der Rest? Ist zumindest schlechteres Marketing. Toyota hat den Hybrid gepusht, völlig zurecht, in den Städten geht das Konzept auf. Das haben die Japaner fantastisch kommuniziert und ein alles überstrahlendes Sauber-Image erreicht. Der gelungene Prius mit Verbrauchswerten um die fünf Litern hat einen CO2-Ausstoß von nur 104 g/km – aber leider zählt er auf unseren Straßen nur nach Hunderten.

Die deutschen Hersteller haben eine Technik verschlafen, zumindest den Trend, langsam wird es ihnen klar, gaaanz langsam. Jetzt lesen wir Statements, mit Hybriden im Zeichen der Ringe und Sterne sei in Bälde zu rechnen. Nebensätze nur, verschämt beinahe – und kein Wort über die Umwelt-Chancen, die ein deutscher Bluetec-Diesel bietet. Man hat den Verdacht, die Manager haben sich in der Defensive eingerichtet; gebremst vom Bammel, das Gute nicht herauszustellen, um keine Fragen nach dem Schlechten zu riskieren. Vielleicht müssen Unternehmensberater ran. Mal nicht, um Stellen zu streichen. Um den Vorständen klarzumachen, dass sie keine Angst vor aufgeklärten Kunden haben müssen: Die wollen wissen, was geht, woran Ihr arbeitet und woran warum nicht. Die meisten verstehen sogar, wenn Ihr auch große und schnelle Autos baut. Weil sie nachgefragt, weil sie gekauft werden. Und weil sie das Geld bringen, um Motoren effizient zu machen und Alternativen serienreif.

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