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Schule: Weltrekords Erbe

Kein Auto wurde öfter gebaut als der Corolla – der wird nun vom grundsoliden Auris abgelöst

Man stelle sich vor, Volkswagen baut den Golf nicht mehr. Beziehungsweise die Wolfsburger entwickeln das Erfolgsmodell zwar weiter, geben ihm aber einen gänzlich neuen Namen. Wäre das gut oder schlecht fürs Geschäft? Eine ähnliche Frage stellt man sich derzeit beim japanischen Automobilgiganten Toyota zu dem Weltrekordhalter Corolla.

Der Wagen verkaufte sich seit seiner Einführung 1966 satte 32 Millionen Mal – so viel wie kein anderes Automobil auf der Erde. Nun aber greift der Hersteller rigoros ein: Denn der Nachfolger des Kompakten wird im wichtigen Absatzmarkt Europa den Namen Corolla ablegen und dem Kunden ab 3. März als Auris angeboten. Der Name kommt vom lateinischen Aurum – was Gold bedeutet. Chance oder Risiko?

Toyota begründet den Schritt: Beim Auris handele es sich um ein „neues, eigenständiges Auto“, deswegen auch der neue Name. Waren also die früheren Corollas, als sie neu waren, schon alt? Egal. Kein Risiko gehen die Japaner zumindest beim Thema Insassenschutz ein. Der Auris hat schon in der Basisversion sämtliche lieferbaren Sicherheitssfeatures mit an Bord und heimste beim Euro- NCAP-Test die Bestnote von fünf Sternen ein. Neben Fahrer-, Kopf- und Seitenairbags verfügt der neue Japaner zudem als erster in seiner Klasse über einen serienmäßigen Knieairbag. In puncto Fußgängerschutz erhielt der Auris drei von vier möglichen Punkten.

Punkte macht der Auris, der mit 4,22 Meter zwei Zentimeter länger als der VW Golf ist, im Innenraum. Das Cockpit ist sehr übersichtlich, das Raumangebot von Fahrgastzelle und Kofferraum familientauglich. Die für das Segment stattliche Karosseriehöhe von 1,52 Meter lässt auch größeren Passagieren im Fond genügend Raum. Das recht kleine Heckfenster sorgt für nur mittelmäßige Sicht nach hinten. Ökologisch auf der Höhe der Zeit ist die „Shift“-Anzeige, die dem Fahrer zwecks Kraftstoffeinsparung den Gangwechsel nahelegt.

Optisch gewöhnungsbedürftig kommt die Mittelkonsole daher, die sich wie eineBrücke gen Armaturenbrett wölbt und an ihrem Höhepunkt kurz vor dem Navi dem Schaltknauf einen erhabenen Platz bietet. Das ist für den Fahrer zwar ganz bequem, doch wenn der Beifahrer einmal auf dem Touch-Screen die Routenführung übernimmt, kommen sich schaltende und waltende Hände doch leicht ins Gehege.

Verschmerzbares Manko der ansonsten exzellenten Innenraumverarbeitung ist die obere Klappe des zweigeteilten Handschuhfaches: Die klingt beim Öffnen und Schließen derart billig und fühlt sich auch so an, dass man sich in die Anfangsjahre der Corolla-Ära zurückversetzt fühlt. Richtig schmerzhaft kann es allerdings beim Schließen der Fenster werden, fehlt den automatischen Fensterhebern doch der Einklemmschutz.

Angeboten wird der Auris als Drei- und als Fünftürer. Die Motorenpalette umfasst je zwei Benzin- und Dieselmotoren. Auf der Straße erweist sich der 1,6-Benziner mit 124 PS als gerade ausreichend motorisiert. Richtige Fahrfreude kommt erst mit dem 177 PS starken Selbstzünder auf – mit seinem gewaltigen Drehmoment von 400 Newtonmetern kann der sich in der Kompaktklasse sehen lassen.

Die Wege sowohl der 5-Gang- (Benziner) als auch der 6-Gang-Schaltung (Diesel) sind präzise, die Lenkung ist komfortabel, aber nicht schwammig. Für ein zusätzliches Gefühl der Sicherheit könnte die Bremse direkter ansprechen.

Ob der Auris sich zum Goldesel mausert, bleibt abzuwarten, tritt er doch gegen Konkurrenz im schickeren Gewand an – etwa den VW Golf oder den Fiat Bravo. Aber wir hatten ja die Namensgebung als problematisch ins Spiel gebracht und nicht das Äußere, das im Übrigen vom Vorgänger gar nicht so stark abweicht: Wenn’s denn stimmt, dass Namen nur Schall und Rauch sind, dürfte sich am Erfolg des Corolla als Auris nichts ändern, ist er doch ein von Grund auf solides Auto geworden.

Stefan Weißenborn

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