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Berlin: Schulpflicht geht vor Moral Politiker lehnen Nachsicht für muslimische Kinder einhellig ab

Wenn Kinder in bestimmten Schulfächern nicht am Unterricht teilnehmen, weil ihre Eltern das aus religiösen Gründen nicht wollen – was ist zu tun? Hilft Härte oder Entgegenkommen, führt der Weg besser über die Eltern oder über islamische Vereine?

Wenn Kinder in bestimmten Schulfächern nicht am Unterricht teilnehmen, weil ihre Eltern das aus religiösen Gründen nicht wollen – was ist zu tun? Hilft Härte oder Entgegenkommen, führt der Weg besser über die Eltern oder über islamische Vereine? Das Problem ist wieder in die Diskussion gerückt, nachdem der Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg erstmals eine Umfrage an den Schulen gemacht hat (wir berichteten). Dabei zeigte sich, dass türkische Kinder, besonders Mädchen, nicht nur oft vom Sport- und vom Sexualkundeunterricht fern gehalten werden, obwohl es eine Schulpflicht gibt. Sogar an Klassenfahrten dürfen sie oft nicht teilnehmen, sodass sogar schon ganze Fahrten abgesagt werden mussten.

Gerhard Schmid, Schulrat von Friedrichshain-Kreuzberg, lehnt Kompromisse bei der Schulpflicht ab. In einer Hauptschule hätten Schülerinnen darauf bestanden, dass bei ihrem Sportunterricht keine männliche Person die Halle betreten dürfe. Nach Schmids Ansicht geht das zu weit: „Sonst werden die Normen nach muslimischer Auslegung gemacht.“ Schmid besteht darauf, hartnäckigen Eltern mit Härte zu begegnen, bis hin zu einer Schulversäumnisklage, die in Bußgeld münden kann.

Der grüne Schulpolitiker Özcan Mutlu hält das für den falschen Weg: „Mit Sanktionen zu drohen bringt nichts.“ Es helfe nur Aufklärung. „Am besten geht man über die Moscheevereine. Wenn man den Imamen klarmacht, dass die Lehrer auf Klassenfahrten dafür sorgen, dass nichts Unmoralisches passiert und kein Alkohol getrunken wird, werden es auch die Eltern akzeptieren.“ Auch für Mutlu ist es aber ein nicht hinzunehmender Verstoß gegen die Schulpflicht, wenn Kinder nicht am Unterricht teilnehmen. Er verweist auf einen Beschluss des Hamburger Verwaltungsgerichts vom Januar. Danach tritt die Religionsfreiheit hinter die Schulpflicht zurück. Die Befreiung zweier Schülerinnen vom Sexualkundeunterricht lehnte das Gericht deshalb ab.

CDU-Schulexperte Uwe Goetze will erreichen, dass das Schulgesetz in diesem Punkt noch eindeutiger gefasst wird. Die FDP-Politikerin Mieke Senftleben will jedem, der in Sport und Biologie aus religiösen Gründen fehlt, in diesen Fächern eine Sechs geben. „Da geht es auch um die Integration der türkischen Eltern“, sagt sie. „Wenn die eine Klassenfahrt verhindern können, führt das zu Problemen beim Zusammenleben.“

Dass man auch mit Pragmatismus etwas erreichen kann, zeigt das Beispiel Schöneberg. Auch hier gilt als Obergrenze für Klassenfahrten, dass nicht mehr als zehn Prozent der Schüler fehlen. Aber dabei werden muslimische Daheimbleiber einfach nicht mitgerechnet.

Fatina Keilani[Volker Eckert]

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