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Berlin: Schulschließungen: Zwei Jahre bis zum Abpfiff in Marzahn - Realschule muss schließen, weil es an Schülern fehlt

Zum Schulfest haben die Mädchen und Jungen eine Installation gebaut. Über die Außenwand der Carl-Spitzweg-Oberschule verteilen sich Fahnen mit Piktogrammen und Spruchbänder aus Papier.

Zum Schulfest haben die Mädchen und Jungen eine Installation gebaut. Über die Außenwand der Carl-Spitzweg-Oberschule verteilen sich Fahnen mit Piktogrammen und Spruchbänder aus Papier. "Es ist vorbei", "Sein oder nicht sein" ist zu lesen und "Die Schule wird 2001 geschlossen". "Mich ärgert es, dass die Schule zugemacht wird," sagt Andra Kindzorra. Die 17-Jährige geht in die zehnte Klasse. Die vorletzte Klasse, die an der Realschule ihren Abschluss machen wird. Alle anderen müssen sich zum Schuljahr 2001/2002 eine neue Schule suchen. Der Grund: schwindende Schülerzahlen. Vor acht Jahren waren es 580, heute sind es nur noch 380.

Andra gefällt es an der Marzahner Realschule, die sich 1994 nach dem Maler Carl Spitzweg nennt und einen Kunst-Schwerpunkt hat. Dies ist auch ein Verdienst des 30-jährigen Referendars Thomas Greeske. Er förderte eine Zusammenarbeit mit dem Guggenheimmuseum, initiierte eine Baumverhüllung à la Christo und kam auf die Idee mit den Spruchbändern. Die Schule wurde Anfang der 80er gebaut - ein typischer DDR-Schulbau ohne Foyer und Aula. Erst 1992 wurde eine Realschule eingerichtet. Schulleiterin Martina Schult hat sie mitaufgebaut: "Schade, dass eine so gut funktionierende Schule geschlossen wird." Mehr will sie dazu nicht sagen.

In welchem Teil von Berlin Frau Schult und ihre 20 Kollegen im übernächsten Schuljahr unterrichten werden, wissen sie noch nicht. Immerhin müssen sie aber nicht um ihren Job fürchten wie Referendar Greeske. Das Landesschulamt will keine neuen Lehrer mehr für die Sekundarstufe einstellen. "Feierabend", fällt ihm dazu nur ein. Er könne kellnern gehen oder Sozialhilfe beziehen. Dabei will er bald heiraten. Mit Kindern werde es jetzt wohl so schnell nichts. Im nächsten Moment lacht er schon wieder: "Ich bin optimistisch. Ich weiß, ich bin ein guter Lehrer." Es werde sich schon eine Lösung finden.

Die Schüler versteigern in einem Nebengebäude im Kunstunterricht entstandene Werke. Den Anbau benötigte die Lehranstalt noch in Zeiten größerer Schülerzahlen. Es wird gerade die Malerei "Das große Fressen" versteigert, auf dem Homer Simpson eine Bratwurst vertilgt. Zwei Schüler aus der 7a beobachten das Treiben im Hintergrund. Wo sie die neunte Klasse besuchen werden? Achselzucken. "Ich bin zufrieden und wollte hier eigentlich weiter bleiben," sagt die 13-jährige Katja aus Hellersdorf. Sie hat sich die Spitzweg-Schule wegen ihres guten Rufs ausgesucht. Der 13-jährige Robert findet es "blöd", dass er sich eine neue Schule suchen muss. Er wohne gleich um die Ecke.

Dass das Schulfest zu einer Protestveranstaltung wird, wollte Schulleiterin Martina Schult eigentlich nicht. Das würde Schüler und Lehrer zu sehr deprimieren. Die Kunstprojekte sollen deshalb das Positive in der Spitzwegschule ein bisschen mehr in den Vordergrund rücken.

Sabine Demm

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