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Fliegen bald seltener vom BER: Flugzeuge von Ryanair. (Archivbild)

© Patrick Pleul/dpa

Update

„Missmanagement und horrende Kosten“: Ryanair zieht ein Fünftel seiner Flotte vom Berliner Flughafen ab

Der größte Anbieter am BER will ab Sommer 2025 sechs Ziele nicht mehr anfliegen – wegen übermäßiger Steuern und Gebühren. Berlins Wirtschaftssenatorin reagiert.

Stand:

Die Fluggesellschaft Ryanair will voraussichtlich ab dem nächsten Sommer rund ein Fünftel des Angebots am Hauptstadtflughafen BER reduzieren. „Grund dafür sind die horrenden Zugangskosten, die von der deutschen Regierung und dem Flughafenmanagement nicht gesenkt werden konnten“, teilte das Unternehmen mit. Die Zahl der in Berlin stationierten Flugzeuge soll deshalb von derzeit neun auf dann sieben sinken. 

Sechs Ziele sind davon betroffen und würden dann nicht mehr angeboten: darunter sind mit Brüssel, Luxemburg und Riga die Hauptstädte von Belgien, Luxemburg und Lettland sowie die Hafenstadt Chania auf der griechischen Insel Kreta, das litauische Kaunas und die polnische Stadt Krakau. Ein konkretes Datum für die Flottenreduzierung nannte Ryanair zunächst nicht.

Auch, wie viele Beschäftigte in Berlin betroffen sind, blieb offen. Der für Deutschland, Österreich und die Schweiz verantwortliche Manager, Eddie Wilson, sagte, dass auf jede Maschine rund 30 Arbeitsplätze kämen.

„Überhöhte Zugangskosten und chronisches Missmanagement“ seien der Grund dafür, dass der „bankrotte Flughafen“ stark unterausgelastet sei, teilte das irische Unternehmen mit. Die Fluggastzahlen in Berlin liegen noch rund 70 Prozent unter den Zahlen des Vor-Corona-Jahres 2019. Das sei laut Wilson „eine Schande für eine der größten europäischen Städte“.

Das Unternehmen macht neben dem Flughafenmanagement auch die Bundesregierung und die Berliner Landesregierung für die schwierige wirtschaftliche Lage verantwortlich. „Während andere europäische Städte ihre Zugangskosten senken, sind die Luftverkehrssteuer und die Flugsicherungskosten doppelt so hoch wie vor dem Bau des Flughafens“, heißt es in der Mitteilung.

Giffey will Flieger in Berlin halten

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) zeigte sich am Dienstag verblüfft über den Schritt. Flughafengesellschaft, Senat und die Tourismusförderung Visit Berlin stünden in regelmäßigem Kontakt mit verschiedenen Fluggesellschaften hinsichtlich der Bedarfe am BER. „Auch mit Ryanair stehen wir im Austausch. Die Schärfe der Ankündigung überrascht uns daher“, sagte Giffey.

Zum Nulltarif kann man die deutsche Hauptstadt nicht anfliegen.

Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD)

„Ginge es nach Ryanair, müssten alle Gebühren abgeschafft und das Nachtflugverbot aufgehoben werden. Das wird so nicht funktionieren, schon allein deshalb nicht, weil Berlin und die Flughafengesellschaft nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten auf vom Bund festgesetzte Gebührenregelungen haben“, sagte die Wirtschaftssenatorin. „Dass Ryanairs Drohgebärde in Richtung Bund Erfolg haben wird, bezweifle ich.“

Man wolle weiter im Gespräch mit Ryanair bleiben, um zu schauen, wie die beiden Flieger, die Ryanair aus Berlin abziehen will, doch noch bleiben können, so Giffey. „Eines muss uns allen aber klar sein: Zum Nulltarif kann man die deutsche Hauptstadt nicht anfliegen.“ Ein guter Flughafen müsse gute Arbeitsbedingungen anbieten, und diese kosteten Geld: „Das ist nicht nur in Berlin so, sondern überall in Deutschland“, sagte Giffey.

BER-Leitung äußert Bedauern und Verständnis

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) teilte auf Anfrage mit: „Wir bedauern sehr, dass Ryanair angekündigt hat, ihr Angebot am Flughafen BER zu reduzieren.“ Zugleich äußerte das Unternehmen Verständnis.

„Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg kann die deutliche Kritik an den stark gestiegenen Steuerbelastungen gut nachvollziehen“, hieß es. „Allein die staatliche Luftverkehrssteuer hat sich seit 2019 mehr als verdoppelt.“ Diese Entwicklung kritisiere die gesamte Branche bereits seit langem. „Dies betrifft nicht nur den BER, sondern den gesamten deutschen Luftverkehr“, teilte die FBB weiter mit.

Ryanair ist laut dem Flughafenbetreiber derzeit der größte Anbieter am BER und hat beim Marktanteil den einstigen größten Wettbewerber Easyjet überholt.

Einiges los am Check-In-Schalter: Laut Ryanair könnte es am BER so häufiger aussehen.

© IMAGO/Maurizio Gambarini

Erst in diesem Sommer hatte die Fluggesellschaft ihr Angebot in Berlin ausgebaut. Damit fliegt Ryanair derzeit von Schönefeld aus zu mehr als 50 Zielen in Europa. Im vergangenen Jahr steigerte Ryanair die eigenen Passagierzahlen am BER der Flughafengesellschaft zufolge um 15 Prozent.

Mit den Betreibern handelte das Unternehmen im Dezember einen Vertrag für die Errichtung eines eigenen Wartungshangars an dem Standort aus. Ob Ryanair an diesen Plänen festhält, blieb offen.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Fluggesellschaft am BER aufgrund hoher Kosten das eigene Angebot reduziert. Im Frühjahr 2022 kündigte Easyjet an, sieben der einst 18 dort stationierten Flugzeuge verlagern zu wollen. Rund 200 Beschäftigte mussten gehen.

Neben Berlin hat Ryanair auch Standorte in Weeze, Köln, Frankfurt-Hahn, Nürnberg, Baden und Memmingen. Ob auch dort das Angebot reduziert werden soll, blieb offen.

Der Flughafenverband ADV warnte, dass Deutschland im Luftverkehr aufgrund der hohen Kosten den Anschluss zu verlieren drohe. „Während Standorte im europäischen Ausland prosperieren, würgen die hohen regulativ bedingten Belastungen den Angebotsaufbau der Airlines in Deutschland ab“, teilte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel mit. „Die Leidtragenden sind die Passagiere. Viele Verbindungen stehen von deutschen Flughäfen nicht mehr zur Verfügung.“ Es gebe aber kein Nachfrage-, sondern ein klares Angebotsproblem. 

Die Berliner Tourismusbranche fordert seit Jahren eine bessere Anbindung an den internationalen Flugverkehr. Insbesondere bei Interkontinentalverbindungen gebe es am BER im Vergleich zu westdeutschen Flughäfen großen Nachholbedarf, sagte auch Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei einem „Tourismus-Dialogs“ mit Vertretern der Branche im Juli. (mit dpa)

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