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Berlin: „Seid nicht traurig“

Wie türkische Blätter über die verpasste Chance der deutschen Nationalelf zum Finalspiel und den bevorstehenden Integrationsgipfel am kommenden Freitag berichten

Vier Wochen lang gab es auch für die türkischen Zeitungen in Deutschland kein wichtigeres Thema als die Fußballweltmeisterschaft. Und das, obwohl die türkische Mannschaft dieses Mal nicht dabei war. Schon bevor es richtig losging, erklärten türkische Verbände und Kolumnisten die Spiele der deutschen Mannschaft auch zu ihren Spielen. „Wenn die Türkei nicht dabei ist, unterstützen wir unsere zweite Heimat“, erklärten sie.

Dann kannte der Jubel der türkischen Fans über die Klinsmann-Elf keine Grenzen mehr. Immer wieder zeigten die Blätter auf ihren Titelseiten Fotos von jubelnden Türken, die deutsche Fahnen schwenkten, mit deutschen Freunden feierten und zum Teil sogar ihren kurzgeschorenen Hinterkopf schwarz-rot-gold bemalen ließen.

Folgerichtig trauerten die Zeitungen auch mit den Deutschen nach deren Niederlage gegen Italien und dem verpassten Einzug ins Finale. „Seid nicht traurig“, tröstete beispielsweise die Tageszeitung Türkiye die Fußballfans. „Deutschland weint“, schrieb die Hürriyet am Donnerstag mit dem Foto einer tränenüberströmten Frau auf ihrer Titelseite. „Deutschland im Schock“ lautete die Überschrift zu einem ähnlichen Foto auf der Titelseite der Europa-Beilage, wo in den letzten Wochen täglich jubelnde Menschen zu sehen waren.

Die Themenwahl änderte sich aber Mitte vergangener Woche. Die WM spielte auf den Titelseiten eher eine untergeordnete Rolle – und das lag nicht allein an der Niederlage der Deutschen im Halbfinale. Es lag am „Integrationsgipfel“. Zu dem hat für den kommenden Freitag Bundeskanzlerin Angela Merkel Migrantenverbände, Länder und Kommunen und einzelne Fachleute eingeladen.

„Fußball ist der Schlüssel zur Integration“, schrieb zum Beispiel die Hürriyet zum WM-Logo auf der Titelseite und zeigte dazu das Bild einer jungen Türkin, die eine deutsche Fahne mit weißem Halbmond und Stern in der Mitte in den Händen hielt. Die Überschrift war ein Zitat des nordrhein-westfälischen Informationsministers Armin Laschet (CDU). 30 Prozent der 1,2 Millionen Fußballspieler in den knapp 4000 Fußballclubs in seinem Bundesland seien nichtdeutscher Herkunft, hatte er im Zusammenhang mit der WM erklärt.

Seit Tagen rufen die Türkiye und die Hürriyet ihre Leser auf, ihre Sorgen, Wünsche und Hoffnungen in Bezug auf den „Integrationsgipfel“ den Redaktionen mitzuteilen. „Wir werden das an Bundeskanzlerin Merkel weiterreichen“, versprechen die Blätter. Am Donnerstag druckte die Hürriyet erste Briefe: Eine Geschäftsfrau beklagte, dass sie ihre Kinder nicht hierher holen dürfe.

Sogar auf dem Sommerfest des Bundespräsidenten im Garten des Schloss Bellevue ging es um das Thema Fußball und Integration. Er freue sich über die Unterstützung der türkischen Fans, sagte Horst Köhler der Hürriyet. „Das zeigt, dass die Türken hierher gehören möchten.“

Suzan Gülfirat

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