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Berlin: Seid verschlungen, Milliarden!

Der Berliner Banken-Skandal ist reif für die Bühne, findet der SPD-Politiker Frank Zimmermann – und hat ein Drama daraus gemacht

Der Skandal um die Berliner Bankgesellschaft als Drama in sechs Akten, verdichtet von Frank Zimmermann. Der SPDAbgeordnete leitet den Untersuchungsausschuss zur Banken-Affäre im Berliner Parlament. Vorgetragen wurde das Stück allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit: Zimmermann berichtete seiner Fraktion kürzlich in dieser Form vom Stand der Dinge. Weil die meisten beim Bankgesellschafts- Komplex kaum noch durchblicken, hat er die Ereignisse gebündelt. Was dabei herauskam, ist zu schön, um es dem breiten Publikum vorzuenthalten. Also, Vorhang auf:

Erster Akt: Dr. Moser oder Wie ich lernte, die Zeitbombe zu lieben

Dr. Hubertus Moser wollte groß rauskommen. Er war Vorstandsvorsitzender der Landesbank und Aufsichtsratsvorsitzender der IBG, das ist die Immobilientochter der Bankgesellschaft. Der Aufsichtsrat spielt in dem ganzen Drama eine Schlüsselrolle. Moser will ordentlich Geld machen und plant, kräftig zu expandieren. Er trifft auf einen Geschäftsmann aus Bayern, Manfred Schoeps. Schoeps ist an der IBG beteiligt und hat einen prima Plan. Er will das Geschäft mit Immobilien ausweiten. Das trifft sich gut. Die Berliner Bank, die genau wie die Landesbank zur Bankgesellschaft Berlin gehört, hat nämlich gerade Probleme mit ihren Firmenkunden und freut sich über die Aussicht auf ein florierendes neues Geschäftsfeld. Die Zeitbombe beginnt zu ticken.

Zweiter Akt: Der Quantensprung

Erste Fonds werden aufgelegt. Jeder Bankkunde kann Anteile kaufen. Das Geschäft läuft schleppend an – es muss dringend angekurbelt werden. Also müssen die Fonds attraktiv gemacht werden. Anleger werden mit Traumbedingungen gelockt. 25 Jahre Mietgarantie! Über einen so langen Zeitraum garantierte Mietsteigerungen, das gab es noch nie. Und ein Rückgaberecht ohne Verluste. Und eine Höchstpreisgarantie, das heißt: Unerwartet höhere Baukosten werden nicht auf die Anleger umgelegt. Diese enormen Garantien beschließt der Aufsichtsrat 1995. Neben Moser und Schoeps sind auch die LBB-Vorstände Ulf-Wilhelm Decken und Jochem Zeelen anwesend. Das Geschäft springt an wie verrückt. Kaum ein Anleger kann widerstehen, null Risiko, sichere Gewinne, was will man mehr? Eine enorme Nachfrage setzt ein. Man braucht unbedingt mehr Immobilien, um neue Fonds auflegen zu können.

Dritter Akt: Die Kettenreaktion

Häuser! Wir brauchen Häuser! Alle Welt will zu diesen Traumbedingungen Fonds zeichnen, aber es gibt nicht genug Immobilien, um die Nachfrage seriös zu befriedigen. Immer mehr Immobilien werden gekauft, viele davon sind unrentabel. Sie bringen nicht genug Erträge, das macht die Fonds unrentabel. Es verursacht hohe Verlustrisiken – allerdings nur für die Bank, den Anlegern sind alle Risiken abgenommen. Dafür muss Geld her, also werden immer noch weitere Fonds aufgelegt, um mit den neuen Einlagen die Altrisiken abzudecken. Ein Schneeballsystem entsteht.

Vierter Akt: Das Imperium schlägt zurück

Auf diese Weise wird immer mehr Kapital benötigt. Die Banken dürfen einem einzelnen Schuldner aber nicht unbegrenzt Kredit geben, damit sich nicht bei einem Schuldner die Risiken ballen. Denn das könnte die ganze Bank gefährden. Um dies zu verhindern, sieht das Kreditwesengesetz Obergrenzen vor. Wer das Gesetz unterlaufen will, braucht also möglichst viele Kreditnehmer – um den Nachweis zu erschweren, dass es sich um einen einzigen Schuldner handelt. So kommt es zu Strohmann-Geschäften: Etliche Gesellschaften werden gegründet, zum Teil auf Vorrat. Alle möglichen Leute steigen zu Geschäftsführern auf – der Buchhalter, die Sekretärin. Aber nur zum Schein. Intern sind sie von der Haftung befreit, die Vereinbarungen liegen im Tresor. Nur die LBB-Vorstände wissen davon, und sie halten dicht. Das führt zu einem schwerwiegenden Problem: In der Bilanz werden diese Haftungsrisiken nicht ausgewiesen. Sie betragen gut 7,5 Milliarden Euro. Wegen dieser Bilanzfälschung hat die Staatsanwaltschaft gegen zwei der Bankvorstände Anklage erhoben.

Fünfter Akt: Das System Nemesis

Durch die vielen neuen Gesellschaften erscheinen viele neue Kreditnehmer, die enormen Kapitalbedarf erzeugen. Am Ende aber landet das Geld immer an derselben Stelle, nämlich bei den Fondsgesellschaften. Jetzt muss ein Weg gefunden werden, es möglichst unauffällig dorthin zu leiten. Darum kümmert sich die eigens zu diesem Zweck gegründete Firma Nemesis. Sie hat für die Kreditvermittlung vier Töchter, später kommen 23 weitere dazu: Fintech 1 bis Fintech 23. Sie dienen der möglichst unbegrenzten Kapitalzufuhr. Es entsteht der so genannte Schattenkonzern. Das Geld reicht trotzdem nicht. Viele Objekte sind gekauft, aber nicht bezahlt. Es fehlen rund 600 Millionen Euro. Nach außen sieht die IBG aber toll aus.

Sechster Akt: Das System Weihnachtsgans

Weil die IBG eine so erfolgreiche Firma ist, wollen die Vorstände von Berlin Hyp und Berliner Bank auch etwas davon haben. So wird geteilt. Die IBG ist danach nicht mehr eine 100-Prozent-Tochter der Landesbank Berlin, sondern gehört LBB und Hyp zu je 30 und der Bankgesellschaft zu 40 Prozent. Das war 1996. Zu diesem Zeitpunkt kommen auch die Vorstände von Hyp und Berliner Bank ins Spiel, Klaus Landowsky und Klaus von der Heyde. Sie sitzen jetzt im IBG-Aufsichtsrat und sind an allen größeren Immobilienkäufen beteiligt – darunter die Plattenbauten der Firma Aubis, deren Geschäftsführer Klaus Wienhold und Christian Neuling mit ihrer 40 000-Mark-Spende den Skandal mit auslösten. Die drei Banken haben für die horrenden Ankäufe Milliarden-Kreditlinien auf Vorrat eingeräumt – ebenfalls auf Beschluss des IBG-Aufsichtsrats. So steuert dieser Aufsichtsrat die Kreditvergabe in seinem Sinne. Das führt dazu, dass die Risiken nicht sorgfältig geprüft werden. Auf diese Weise wird die Bankgesellschaft von 1997 bis 2000 ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Um die Milliardenverluste nicht in der Bilanz ausweisen zu müssen, versuchen die Verantwortlichen noch verzweifelt, die IBG an eine Scheinfirma auf den Cayman Islands zu verkaufen. Der Verkauf wird aber nicht mehr wirksam.

Aufgezeichnet von Fatina Keilani.

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