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Berlin: SEK stürmte Wohnung: Geschockter Mieter erlitt Herzstillstand Dramatisches Ende eines Nachbarschaftsstreits.

Mann erhielt für vorgetäuschten Notruf Bewährungsstrafe

Als es weit nach Mitternacht klingelte, ging Andrzej B. nicht an die Tür. Er sah kurz aus dem Fenster und bemerkte, dass jemand mit der Taschenlampe vor dem Haus stand. Der 48jährige Hauswart machte kein Licht. Die Situation war ihm unheimlich. „Ich dachte, das sind Banditen“, sagte er vor dem Amtsgericht Tiergarten. Tatsächlich war es ein Spezialeinsatzkommando (SEK). Sein Nachbar Thomas O. hatte zuvor die Polizei gerufen. O. hatte eine Bedrohung fingiert. Schließlich stürmte das SEK die Wohnung von Andrzej B. in Charlottenburg. Der Überraschte wurde unter Einsatz massiver Gewalt überwältigt – und erlitt einen Herzstillstand.

„Ich bekam plötzlich keine Luft, ich musste reanimiert werden“, sagt B. nun so leise, als fürchte er einen erneuten Angriff. Er sieht zu dem Mann auf der Anklagebank, der für den SEK-Einsatz gesorgt hatte und sich deshalb verantworten musste. Doch Thomas O. starrt in Richtung Fenster. Vielleicht kommt ihm dieser folgenschweren Notruf in jener Nacht im Dezember 2002 nach viel Alkohol in den Kopf. Als Sohn von B. hatte er sich ausgegeben und behauptet, sein Vater würde mit einer Pistole herumballern und ihn bedrohen. „Ich habe mich in der Küche verschanzt, ich habe Angst“, rief er ins Telefon. So ein Notruf wird natürlich ernst genommen. Beamte vom zuständigen Abschnitt hatten sich zunächst umgesehen und geklingelt. Als der völlig ahnungslose B. nicht öffnete, wurde die Sache als mutmaßliche Geiselnahme ans SEK gegeben. „Ich werde das nie in meinem Leben vergessen“, sagte B. als Zeuge. Drei Türen traten die Beamten ein, schlugen ihn, traten mit ihren Stiefeln zu. „Dann drückten sie mich auf den Boden, da wurde ich bewusstlos.“ B. wurde wiederbelebt und kam mit Prellungen sowie Platzwunden am Kopf ins Krankenhaus. In Handschellen, weil er noch immer als Gangster galt. Bauarbeiter O. ist inzwischen aus SEK ausgezogen. Vor Gericht gab er sich wortkarg. Er habe an jenem Abend viel Bier und Sambucca getrunken. „Da habe ich angerufen.“ Warum er seinem Nachbarn Ärger bereiten wollte, konnte er nicht sagen. Der Richter ging davon aus, dass der Angeklagte trotz des Alkohols sehr wohl wusste, was er tat.

Der Angeklagte habe auch mit einem Polizeieinsatz gerechnet. „Er musste allerdings nicht damit rechnen, dass die Beamten den Mann regelrecht in den Boden stampfen“, kritisierte der Richter. Gegen O. erging wegen Missbrauchs von Notrufen und falscher Verdächtigung eine Bewährungsstrafe von elf Monaten. Außerdem muss er 600 Euro an B. zahlen. Kerstin Gehrke

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