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Selbstjustiz: Hohe Strafen für Jugendclique

Eine Jugendbande ist vom Berliner Landgericht wegen brutaler Selbstjustiz zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Sie hatten Jagd auf vermeintliche Kinderschänder gemacht.

Berlin - Acht Mitglieder einer Treptower Clique im Alter von damals 17 bis 31 Jahren, darunter zwei Mädchen, sind am Montag vom Landgericht Berlin wegen gefährlicher Körperverletzung, schweren Raubes und Beihilfe sowie Amtsanmaßung und unterlassener Hilfeleistung zu zwei Jahren auf Bewährung bis neuneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Gegen vier der Angeklagten ergingen Jugendstrafen, wobei eine heute 18-Jährige lediglich die Anweisung erhielt, an sozialen Trainingskursen teilzunehmen.

Im Mai vergangenen Jahres hatten sie im Stadtteil Treptow-Köpenick in unterschiedlicher Tatbeteiligung drei Männer, die sie für Sexualstraftäter hielten, gefoltert und ausgeraubt. Die Taten seien von besonderer "Grausamkeit" und Menschenverachtung geprägt, stellte das Gericht fest. Ohne jedes Mitgefühl sei den Opfern Leid zugefügt worden. Sie hätten Selbstjustiz an Menschen begangen, die sie für Kinderschänder hielten, weil ihrer Ansicht nach der "Staat seine Aufgabe nur unzureichend erfüllt" habe.

Ein 40-jähriger Bäcker war mit einem heißen Bügeleisen misshandelt worden und hatte entsprechend große Verbrennungen erlitten. Der Mann ist Zeit seines Lebens entstellt. Einen anderen Mann hatte man in seiner Wohnung misshandelt und bei verbundenen Augen gedroht, ihn mit kochendem Wasser zu verbrühen. Ein weiterer Mann war von zwei Angeklagten mit einem Schlagstock verprügelt worden. Auf dem Weg zu einem der Opfer waren außerdem zwei Punks spontan von den "tendenziell rechts gerichteten" Angeklagten, überfallen worden.

In dem nicht öffentlichen Prozess hatten die Angeklagten die Taten im Wesentlichen gestanden. Eine ehrliche Reue sei jedoch nicht bei allen erkennbar, stellte das Gericht fest. Auf die Frage nach dem Motiv konnte dem Richter zufolge keine Antwort gefunden werden. Die beiden 18-jährigen Mädchen hatten laut Gericht aber die "besondere Motivationslage" bestimmt, in dem sie Mitangeklagten von früheren sexuellen Misshandlungen durch zwei später Geschädigte berichteten, wofür es dem Gericht zufolge auch Anhaltspunkte" gab.

Im Fall der Misshandlung des damals 40-jährigen Bäckers mit einem heißen Bügeleisen habe aber bereits die Verdächtigung ausgereicht, dass das Opfer eine Vorliebe für junge Mädchen habe. Eine damals 17-jährige Angeklagte hatte den Lockvogel gespielt und sich dem Mann angeboten. In seiner Wohnung hatte sie dann vier Mitangeklagten, darunter ihrem damaligen Verlobten, die Wohnungstür geöffnet. Gegen den heute 26-Jährigen wurde die höchste Strafe verhängt.

Das Gericht betonte, dass in einem demokratischen Rechtsstaat Selbstjustiz mit allen Mittel unterbunden werde. Die Angeklagten, die jetzt selbst von dem "rechtsstaatlichen Mittel profitierten", sollten bedenken, welche verheerenden Konsequenzen es hätte, wenn Geschädigte die Härte der Strafe für Täter selbst bestimmen könnten. (tso/ddp)

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