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Berlin: Senat unter Druck – da lässt sich mehr sparen GEWONNEN ZERRONNEN

Vor der Haushaltsklausur: Was an Streichlisten auf dem Tisch liegt, reicht dem Fraktionschef der SPD noch nicht

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Senat geht in Sparklausur – und die Regierungsfraktionen machen Druck. Die Kürzung der öffentlichen Ausgaben um 800 Millionen Euro, die der Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) den Amtskollegen in Einzelgesprächen mühsam abgeschwatzt hat, reichen den SPD- und PDS-Abgeordneten nicht aus. „Wir lassen nicht locker“, sagte der SPD-Fraktionschef Michael Müller dem Tagesspiegel. Man werde beim Sparen nichts auslassen. Auch die Hochschulen und die Sozialhilfe nicht. Das Ziel, die Ausgaben um zwei Milliarden zu senken, bleibe im Visier. „Wir müssen nur gucken, bis wann wir das schaffen“.

Der Doppelhaushalt ist auch eine Bewährungsprobe für Finanzsenator Sarrazin. Er will erreichen, dass Berlin seine öffentlichen Ausgaben finanzieren kann, ohne neue Kredite aufzunehmen. Das Ziel, dies bis 2006 zu erreichen, wurde vom Senat offiziell aufgegeben. Allein im nächsten Jahr droht eine Neuverschuldung von 5,5 bis 6 Milliarden Euro. Ohne Konsolidierung wird das Land Berlin 2020 auf einem Schuldenberg von 150 Milliarden Euro sitzen.

Mit diesem Schreckensbild will sich Müller nicht abfinden. Er glaubt, dass die Koalition mit dem Doppeletat 2004/05 „einen großen Sprung nach vorn machen wird“. Rot-Rot will in der Klausurtagung offenbar versuchen, schon in den nächsten beiden Jahren mehr als eine Milliarde Euro einzusparen. Zwischen diesen kurzfristigen Maßnahmen und den Strukturreformen, die erst in ein paar Jahren wirken, müsse der Senat „eine vernünftige Balance herstellen“, forderte Müller. PDS-Fraktionschef Stefan Liebich reitet auf der gleichen Welle, wollte sich aber gestern nicht äußern. Statt seiner sagte der PDS-Haushaltsexperte Carl Wechselberg: „Der Löwenanteil der zwei Milliarden Euro muss jetzt erbracht werden.“ Nur mit einem Sanierungsprogramm, das Hand und Fuß habe, könne sich Berlin vor das Bundesverfassungsgericht trauen.

Der neue Haushaltsentwurf soll mit den langfristig kostensparenden Strukturreformen zu einem Sanierungsplan zusammengefasst werden, der auch Verfassungsjuristen überzeugt. Mit dem Sanierungsprogramm geht der Senat im Sommer nach Karlsruhe, um Finanzhilfen des Bundes einzuklagen. Das Geld (mindestens 25 Milliarden Euro) soll helfen, einen Teil des Berliner Schuldenbergs abzutragen. Bislang ist die Bundesregierung nicht bereit, die Hauptstadt aus der Haushaltsnotlage zu retten. Die Klageschrift ist dem Vernehmen nach fertig; das Zahlenwerk wird beigefügt, sobald der Senat den Etatentwurf am 1. Juli beschlossen hat.

SPD-Fraktionschef Müller ließ keinen Zweifel daran, dass die Koalitionsfraktionen nachhelfen werden, wenn der Senat jetzt nicht genug spart. „Wir haben fast ein halbes Jahr Zeit, um den Doppelhaushalt im Parlament zu beraten.“ Eine Initiative von drei jungen SPD-Abgeordneten – Daniel Buchholz, Fritz Felgentreu und Petra Hildebrandt – nahm er wohlwollend zur Kenntnis. Sie haben den Senat aufgefordert, die von Sarrazin angepeilten zwei Milliarden Euro bis zum Ende der Wahlperiode 2006 einzusparen.

„Nur so lässt sich für die nächste Generation neuer Handlungsspielraum gewinnen“, sagte Buchholz. Bei Bildung und Wissenschaft wollen die jungen SPD-Leute aber nicht an die Substanz gehen. Ihre Aktion hat einen Schönheitsfehler: Felgentreu und Hildebrandt haben Ende 2002 gegen die bisher erfolgreichste Strukturreform angekämpft – den Stopp der Wohnungsbauförderung. Das bringt immerhin eine Milliarde Euro.

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