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Berlin: Shopping-Tour nach Karlsruhe

Vor vier Jahren wollte der Kaufhof am Alexanderplatz sonntags öffnen. Jetzt beschäftigt sich das Bundesverfassunggericht mit dem Fall

Es war im Sommer 1999, da ging es hoch her beim Thema Ladenschluss. Der Kaufhof am Alexanderplatz wollte unbedingt auch sonntags öffnen. Das ist nach dem Ladenschlussrecht nicht erlaubt, es sei denn an ausgewiesenen Touristenzielen. Dann allerdings nur für Waren mit Berlin-Bezug, es sei denn man hat eine Ausnahmegenehmigung, dann darf man wieder alles verkaufen, auch ohne Berlin-Bezug. Kurzum: Die Lage beim Ladenschluss war unübersichtlich, die Vorschriften wucherten ähnlich buschig wie der Schnauzbart von Günter Biere, und der war damals Chef des Kaufhofs am Alexanderplatz und entschlossen, den Ladenschluss zu umgehen.

Biere dachte sich dafür viele schöne Aktionen aus, so zum Beispiel die mit den Aufklebern. Tausende von Stickern mit der Aufschrift „Berlin-Souvenir“ ließ er drucken und auf seine Waren kleben, Argument: Dann ist das alles touristischer Bedarf. Und während an einem einzigen Sonntag 50 000 Kunden den Kaufhof einrannten, nahmen das Landesamt für Arbeitsschutz, Geräteschutz und technische Sicherheit (Lagetsi) und einige Konkurrenten den Kleinkrieg mit dem Kaufhof auf. Das Lagetsi drohte mit Buß- und Zwangsgeldern und Schließung des Kaufhauses. Ein Teehändler von Ku’damm setzte durch, dass der Kaufhof sein Tee-Regal verhängen musste, aus Wettbewerbsgründen. Ein Uhren- und Schmuckhändler erwirkte dasselbe für Uhren und Schmuck. Der Inhaber des Teeladens nutzte seinen freien Sonntag für einen Ausflug zum Kaufhof am Alexanderplatz und fand nach langer Suche tatsächlich noch eine unverhüllte Teekanne in der Haushaltswarenabteilung.

Aus Rostock und Neubrandenburg dagegen erreichten Biere Solidaritätsadressen und die Auskunft, man öffne schon seit Jahren auch sonntags. Ein Radiosender aus Washington berichtete über den Berliner Ladenschluss-Streit wie über die seltsamen Gebräuche eines kuriosen Eingeborenenstamms. Draußen protestierten derweil Kirchen und Gewerkschaften.

Der Kaufhof sah das Lagetsi lieber von hinten – dreht man den Namen um, ergibt sich „ist egal“, und Biere folgte diesem Motto nach Kräften. Die Anwälte des Kaufhofs kündigten damals groß an, das alles einer „verfassungsrichterlichen Klärung“ zuzuführen. Dann senkte sich Schweigen über das Hickhack, und Günter Biere übernahm den Kaufhof in Frankfurt am Main.

Aber es waren keine hohlen Worte, wie sich jetzt zeigt. In den vergangenen vier Jahren hat der Justizapparat mit gewohnter Langsamkeit, aber dafür stetig knirschend weitergemüllert, und jetzt liegt eine Verfassungsbeschwerde des Kaufhofs in Karlsruhe. Am 4. November wird das höchste deutsche Gericht sie mündlich verhandeln, und zwar im Rahmen seiner Tage der offenen Tür. Dafür sucht das Gericht sich jedes Jahr ein paar besonders interessante Verfahren aus, die dann von den Besuchern verfolgt werden können. An den beiden Tagen geht es außerdem um Spätaussiedler, Kampfhunde und das Namensrecht von Ehepartnern.

Der Kaufhof beruft sich auf Artikel 12 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Berufsausübung garantiert, und auf das Gleichbehandlungsgebot aus Artikel 3. Bahnhöfe, Flughäfen und Tankstellen seien privilegiert, weil sie über ihre Öffnungszeiten frei entscheiden könnten, und darin liege eine Ungleichbehandlung. Und außerdem: Es verstoße gegen das Recht der Kunden auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, wenn sie nicht einkaufen könnten, wann sie wollen.

Das Urteil wird sicher nicht am selben Tag verkündet werden, die Richter müssen ja erstmal beraten. Wenn sie trotzdem schnell urteilen, könnte das Weihnachtsgeschäft in ganz neue Dimensionen vorstoßen.

Fatina Keilani

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