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Auf der Anklagebank: Rainer P., der aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht erkennbar sein darf, im Kriminalgericht Moabit.

© dpa

Sicherungsverwahrung: Erneut Haft nach der Haft für Gewalttäter

Ein 55-Jähriger war 2011 nach dem EU-Gerichtsurteil freigekommen. Nun muss Schwerverbrecher Rainer P. wieder hinter Gitter.

Er war der Erste, der freikam. Er ist der Erste, der rückfällig wurde. Nun ist der 55-jährige Rainer P. der erste Berliner Schwerverbrecher, gegen den zum zweiten Mal die Sicherungsverwahrung angeordnet wurde. Nur acht Monate nach seiner Entlassung schlug er erneut zu. Wegen Raubes und Körperverletzung wurde er am Mittwoch zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Zudem ordnete das Gericht seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und anschließende Sicherungsverwahrung an. Es bestehe bei Rainer P. ein „Hang zu schweren Straftaten unter Alkoholeinfluss“, hieß es im Urteil.

Rainer P., gelernter Bäckergehilfe, war selten in Freiheit. Rund 20 Mal wurde er verurteilt. Er hatte im Vollrausch aus nichtigem Anlass zwei Obdachlose getötet. 33 Jahre seines Lebens verbrachte P. hinter Gittern. Zwölf davon war er Sicherungsverwahrter in der Justizvollzugsanstalt Tegel. „Es passiert praktisch nichts mit ihm, es ist ausschließlich Verwahrung“, kritisierte nun Richter Thomas Seifert. Der Angeklagte habe sich zurückgezogen, ernsthafte Therapieangebote für einen derart Alkoholkranken habe es nicht gegeben. Als sich nach einem Grundsatzurteil abzeichnete, dass er und weitere Verwahrte freikommen, „geraten die Verantwortlichen etwas in Panik“.

Als Rainer P. im Februar 2011 entlassen wurde, waren die Prognosen schlecht. Psychiater sahen die Gefahr weiterer Straftaten. Doch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs Ende 2009 ließ keinen anderen Weg zu. Als P. nach der Tötung eines Mannes 1993 zu fünf Jahren Haft und Sicherungsverwahrung (SV) verurteilt wurde, durfte diese Maßregel nur für maximal zehn Jahre verhängt werden. Diese Obergrenze aber strich der Gesetzgeber 1998 – für P. gab es rückwirkend eine Verlängerung. Diese wurde als verfassungswidrig gekippt. In Berlin kamen elf Männer aufgrund der geänderten Rechtsprechung aus der SV.

Plötzlich stand er am Gefängnistor. Zuvor hatte es nur zwei begleitete Gänge zu Behörden gegeben. Er trug ein T-Shirt, als ihn ein Bewährungshelfer in Empfang nahm. Und es begleitete ihn ein falscher Ansatz: „Man dachte, nach 17 Jahren Abstinenz wäre er geheilt. Eine solche Einschätzung ist für einen Alkoholkranken verhängnisvoll“, sagte der Richter. Es hätte eine intensivere Behandlung und Überwachung geben müssen. Es folgte im Mai eine nächste Inkonsequenz. Eine Blutuntersuchung hatte bei P. einen Drogenkosum belegt. Doch dieser Verstoß gegen Weisungen sei als „nicht so schwerwiegend“ eingestuft worden.

Rainer P. konnte beruflich nicht integriert werden. Er saß zu Hause, langweilte sich. Er begann zu trinken und wurde wieder gewalttätig. Im Oktober 2011 raubte er mit einem Kumpel einen Mann aus. Am 16. November kam es in P.s Wohnung zu einem Streit. Es ging um Geld und einen Nassauer. P., ein leicht kränkbarer Mann, schlug zu. Das Urteil, so das Gericht, sei wegen des derzeitigen Übergangsrechts schwierig gewesen. Bis Ende Mai 2013 muss die Sicherungsverwahrung neu geregelt werden.

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