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Berlin: Sie fanden sich auf Lesbos

Es lag nicht am zu erwartenden Medienrummel um den Geburtstag der Homo-Ehe am 1. August vergangenen Jahres.

Es lag nicht am zu erwartenden Medienrummel um den Geburtstag der Homo-Ehe am 1. August vergangenen Jahres. Und auch nicht an der Befürchtung, sich in einer Massenabfertigung gleichgeschlechtlicher Ja-Sager wieder zu finden. Nein, der Grund, dass Angelika Wildermann und Gemma Harding erst so spät ihre Lebenspartnerschaft eintragen ließen, ist ein anderer: Sie kannten sich noch gar nicht, als die von vielen Lesben und Schwulen herbeigesehnte Gesetzesnovelle in Kraft trat.

Außerdem hatten beide ohnehin nie vorgehabt, jemals zu heiraten. Das änderte sich schnell, als sie sich kennen lernten. Geblieben ist die Verwunderung darüber, dass alle Hürden, die ihnen seitens der Bürokratie in den Weg gestellt wurden, erfolgreich und rechtzeitig genommen werden konnten. Nicht nur binationale Ehepartner klagen über den hohen bürokratischen Aufwand, den der Wunsch nach einer Ehe und eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit sich bringt.

Aber das ist eine Ehe schließlich wert, und die beiden Frauen zeigten sich den Widrigkeiten in besonderem Maße gewachsen, so dass alles ganz schnell ging.

Den dicksten Brocken hatte sich die Berlinerin Angelika Wildermann selbst als Hindernis vor die Füße gelegt. "Durch meine eigene Blödheit", gesteht sie, "hätten wir uns fast wieder aus den Augen verloren."

Die Institution der Homo-Ehe war schon einige Tage alt, als sich beide auf der griechischen Insel Lesbos trafen. "An meinem letzten Urlaubstag hab ich Gemma richtig kennen gelernt und mich total in sie verknallt, unterm Sternenhimmel." Da die Begründung ausscheidet, englischsprachige Defizite könnten zum anschließenden Debakel geführt haben, war wohl der emotionale Höhenflug daran schuld, dass die 39-Jährige im richtigen Moment die falsche Antwort gab. Wann sie telefonisch am ehesten zu erreichen sei, habe Gemma, die noch zwei weitere Wochen blieb, vor der Abreise gefragt. "Und ich sagte ihr: Before eight and after twelve in the evening." Was sie jedoch meinte, war, dass es ihr nach acht Uhr abends und vor Mitternacht am besten passen würde. Ein folgenschweres Missverständnis, das beidseitig zu größter Verwirrung führte: Während Angelika Wildermann auf ein Lebenszeichen aus Griechenland wartete, gesellte sich zu beruflichem Stress und Verliebtheit die quälende Frage, ob sie womöglich einer "schrägen Wahrnehmung" aufgesessen sei.

Derweil kam für Gemma Harding zur Urlaubslust der Telefonfrust: "Weil ich sie nie erreichen konnte, dachte ich wirklich, Angelika sei dauernd unterwegs und hätte mich längst vergessen." Entsprechend groß war die Freude, als sie sich schließlich doch noch erwischten und den Irrtum aufklären konnten. Seitdem ist die 40-jährige Psychologin Teil einer binationalen Wochenendbeziehung, bei der schon im September erstmals das Thema Heiraten zur Sprache kam. "Davon solltest Du besser erzählen.", wird die Britin von ihrer Frau aufgefordert, die gleichermaßen davon überzeugt ist, dass spontane Entscheidungen meist die besten sind. "Vor meiner Abreise", erinnert die sich, "haben wir am Flughafen einen Bekannten von Angelika getroffen, der gerade mit seinem neu Angetrauten in den Honeymoon startete. Also fragte ich sie, ob wir hier in Deutschland etwa heiraten könnten."

In England nämlich wehre man sich nach wie vor gegen das Modell, homosexuelle Paare offiziell zu registrieren, um ihnen Rechte und Pflichten zu geben. Die Gegenfrage, wo sie denn ihre Flitterwochen verleben würden, wertete das vorangehende informative Ja so ungemein auf, dass Gemma Harding beschloss, in den zwei Wochen bis zum nächsten Berlin-Trip zumindest einen Satz in deutscher Sprache zu lernen: "Willst du mich heiraten?" Zwar habe sie sofort vom Gefühl her "Ja" gesagt, bekennt die Umbuhlte, aber "dass das auch wirklich möglich ist, ist mir erst danach eingefallen." Und im nächsten Moment galt es, das alte Ideal des Nicht-heiraten-Wollens mit der prompten Zustimmung zur staatlich legitimierten Zweisamkeit zu versöhnen.

Doch richtig stressig wurde der Wunsch erst Mitte November, als der Termin beim Kreuzberger Standesamt festgelegt war. "Weil Gemma immer nur tageweise hier sein kann, war alles ziemlich kompliziert." Die Tatsache, dass hiesige Behörden Formalitäten verlangten, die jenseits des Kanals völlig unbekannt sind, trug wesentlich dazu bei. Dass beide Frauen außerdem darauf aus waren, künftig einen Doppelnamen zu führen, förderte ein weiteres Problem zutage, das schließlich gelöst werden konnte.

"Trotz vieler Lücken und Nachteile ist das Lebenspartnerschaftsgesetz aber ein absolut positiver Schritt", sagt Angelika Wildermann, die für einen Kunstbuch-Verlag arbeitet. "Steuerliche Vorteile haben wir allerdings nicht, sondern eigentlich nur Nachteile: Würde ich beispielsweise meinen Job verlieren, würde Gemmas Einkommen für die Berechnung meiner Ansprüche hinzugezogen werden". Momentan stehen für das Paar jedoch kosmopolitischere Überlegungen hinsichtlich des neuen Status im Vordergrund. Denn die Frage, ob der überhaupt anerkannt wird, spielt bei der Auswahl des zukünftigen Wohnorts eine wichtige Rolle. Irgendwo im Süden Europas wollen sie sich ansiedeln, vielleicht in Spanien. Dass beide keinerlei Kenntnisse der Landessprache aufweisen können, bereitet ihnen nur wenig Sorgen. Immerhin wagte Angelika Wildermann vor Jahren mit einem nur rudimentärem Französisch-Wortschatz den Sprung nach Frankreich. Und Gemma Harding schaffte es mit einer neuen Methode des Gedächtnistrainings in wenigen Wochen, ein beachtliches Verständnis für die deutsche Sprache zu entwickeln.

Nur mit dem Reden gehe es noch recht langsam, gibt sie zu. Vor dem Umzug gen Süden wollen beide aber unbedingt nochmals Ja zueinander sagen: An einem hoffentlich sonnigen Frühlingstag im Rahmen einer schamanischen Open Air-Zeremonie auf britischem Boden. "Vielleicht können wir uns dann ja in England schon ganz offiziell trauen lassen", sinniert Angelika Wildermann. "Oh, that would be wonderful!", erwidert ihre Frau - die nie heiraten wollte.

Maren Sauer

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