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Berlin: Sie hatten die Wahl

Sonntags? Da kann man ausschlafen. Oder 14 Stunden freiwillig bei der Auszählung helfen – wie einige Schüler in Prenzlauer Berg

Der Mann hat gute Laune und einen Stoffbeutel mit Geschenken dabei. Erst drückt Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás einer Lehrerin fröhlich einen Blumenstrauß in die Hand („Ich danke Ihnen, stellvertretend für alle 22 000 Wahlhelfer!“), dann kramt er weitere Geschenke aus seinem blauen Beutel hervor. „Hier, das ist für Sie“, sagt er zu den Schülern und knallt – tatata! – die neuesten Infobroschüren „Zur finanziellen Situation Berlins“ auf den Tisch, sowie einen Stapel Bücher zur „Geschichte Deutschlands in Kurzform“. Der Wahlchef lächelt, die Schüler versuchen das zumindest.

Fast sieben Stunden sitzen sie – 14 Schüler und vier Lehrer – zu diesem Zeitpunkt schon auf den Holzstühlen in ihrer Kurt-Schwitters-Oberschule in der Greifswalder Straße, tief in Prenzlauer Berg. Weitere sieben Stunden stehen noch an, bis alle Zettel gezählt sind. 14 Stunden Arbeit, der Lohn: 26 Euro. „Das reicht leider nur für einen Kaffee und Würstchen mit Kartoffelsalat“, sagt Landeswahlleiter Schmidt von Puskás.

„Die Schüler machen das trotzdem gern“, erzählt die Lehrerin mit dem Blumenstrauß in der Hand, Uta Heinicke. Seit 1998 engagieren sich meist die Schüler des PW-Leistungskurses, um „freiwillig einmal Demokratie ganz nah zu erleben“. Normal ist das bei Weitem nicht, „schon gar nicht in einer Großstadt“, sagt der Landeswahlleiter dazu. „Deshalb finde ich es so lobenswert, wenn Schülerinnen und Schüler ihren Sonntag opfern“. Die Zahl der Ehrenamtlichen sinke, „nur 20 bis 25 Prozent“ seien keine Angestellten im öffentlichen Dienst.

Eine von den freiwilligen Helfern, die an diesem frühen Sonntagnachmittag im Klassenraum sitzt, ist Charlotte Mellahn, 19 Jahre alt. Gut, am Vorabend musste sie ein bisschen früher ins Bett („Mitternacht, sonst wär’s am Abend bestimmt länger gegangen“). Aber das sei wirklich kein Problem, „es ist schon spannend, wie so eine Wahl abläuft“. Die Bürokratie. Das Zählen. Die absolute Konzentration. Und dann noch all die Menschen, denen man hilft, „außer beim Ankreuzen“. Immerhin bekommen die Schüler noch einen freien Tag zugeschrieben, wann sie den nehmen, dürfen sie sich aussuchen, nur nicht an Prüfungstagen.

Morgens haben die Schüler gemeinsam gefrühstückt, kurz vor 8 Uhr stand schon der erste Wähler auf der Matte. Für jeden haben die Schüler eine nette Begrüßung parat und ein Lächeln. Nur ein Typ mault, er ist im falschen Wahlkreis, „Saftladen!“ zischt er laut.

„Die meisten sind aber sehr nett“, sagt Martin Dubberke, 18 Jahre alt. Auch für ihn wird der Abend sehr lang, er muss die Ergebnisse an die Wahlzentrale übermitteln. Und auch er zeigt viel Engagement, ist erst um 5 Uhr schlafen gegangen („Ich musste arbeiten“) und war dennoch um 7.15 Uhr in der Schule. Pünktlich. Und freiwillig.

André Görke

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