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Sinkende Einnahmen: Berliner lassen Lotto links liegen

Die Umsätze der Klassenlotterie Berlin sinken, doch für ihre Gewinnspiele darf sie kaum werben. Darunter leiden der Breitensport und zahlreiche Projekte, die über die Einnahmen unterstützt werden.

Von Sabine Beikler

Als Klaus Böger Ende März im Fernsehen das Spiel FC Nürnberg gegen Bayern München sah, entdeckte er im Nürnberger Stadion ein großes Plakat: „Lotto Bayern“. Sehr zu seinem Ärger, denn ein vergleichbares Plakat „Lotto Berlin“ im Olympiastadion gibt es für den früheren SPD-Sportsenator und heutigen Präsidenten des Landessportbundes (LSB) nicht zu sehen: Der Deutschen Klassenlotterie Berlin (DKLB) sind großflächige Werbung oder beleuchtete Hinterglaswerbung (City-Light-Poster) untersagt. Die Senatsinnenverwaltung als Rechtsaufsicht legt die Werberichtlinien streng aus – zum Ärger von Vereinen und Landespolitikern. Denn die DKLB-Umsätze sinken, und so fließt immer weniger Geld über Steuern in die Landeskasse und die Lottostiftung, mit der der Breitensport und unzählige Projekte finanziert werden.

„Von diesen finanziellen Zuschüssen profitieren alle Berliner, denn viele Projekte und Veranstaltungen hätten sonst nicht realisiert werden können“, sagt DKLB-Vorstandsmitglied Marion Bleß. 2011 erhielten 120 Projekte Zuwendungen. Doch gingen im selben Jahr bei der DKLB als einziger Landeslotterie gegenüber 2010 die Umsätze beim Spiel 6 aus 49 zurück – um vier Prozent. Der Gesamtumsatz 2011 betrug 261,4 Millionen Euro (für alle 16 Landeslotterien rund 6,6 Milliarden Euro). Die Hälfte wird als Gewinn ausgeschüttet, rund 1000 Annahmestellen erhalten Provision. 48,6 Millionen Euro flossen als Lotteriesteuer der DKLB, der Klassenlotterie und anderer öffentlicher Lotterien in die Landeskasse.

In Berlin werden 20 Prozent des Spieleinsatzes plus Bilanzgewinn als „Zweckabgabe“ weitergereicht. Diese Mittel sanken von 81 Millionen Euro (2002) auf 59,6 Millionen Euro (2011). Von dieser Abgabe gehen 25 Prozent an die Jugendverwaltung und 25 Prozent an den Sport. Die Zuwendungen für den Sport teilen sich noch einmal auf: 40 Prozent erhält die für Sport zuständige Innenverwaltung, 60 Prozent der LSB. Das waren laut Böger rund 7,7 Millionen Euro, 2002 seien es 10,7 Millionen Euro gewesen. „Der Breitensport lebt von den Lottoerträgen“, sagt Böger. Er könne nicht verstehen, warum man für Lotto in Berlin so gut wie keine Werbung machen dürfe. Lotto sei keine Quelle für Spielsucht. Während man in Bayern große Plakate sehe, „gibt es in Berlin nicht mal Flyer. Hier agiert die Verwaltung päpstlicher als der Papst.“ Böger spricht von „Kleinkariertheit“.

Die staatliche Lotterie hat ein Monopol. Sie soll laut Staatsvertrag den „natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen“ lenken, als Suchtprävention wirken und eine „geeignete Alternative“ zum illegalen Glücksspiel sein. Verboten ist generell die Werbung für öffentliches Glücksspiel in Fernsehen und Internet. Die Umsetzung der Werberichtlinien regeln die Länder.

Lotto-Einnahmen sinken zulasten gemeinnütziger Zuwendungen

2009 erließ die Berliner Innenverwaltung Anordnungen für die DKLB-Werbung. Während Lottogesellschaften in Bayern, Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt Hörfunkwerbung, City-Light-Poster oder großflächige Werbung schalten, beschränkt sich die DKLB auf Jackpot-Informationen im Hörfunk. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern müssen „alle Kommunikations- und Werbemaßnahmen der Lotterieaufsicht vorab zur Genehmigung vorgelegt werden“, sagt DKLB-Vorstandsmitglied Hansjörg Höltkemeier. Oft werde „unter besonders enger Auslegung des Rechtsrahmens nach subjektivem Empfinden entschieden“.

Dass die zuständigen Beamten die Richtlinien sehr eng auslegen, verteidigt Innen-Staatssekretär Bernd Krömer (CDU): „Die Aufsichtsbehörde muss darauf achten, dass die Rechtsverordnung für staatliches Lotto eingehalten wird, um privaten Anbietern nicht die Möglichkeit zu geben, dagegen vorzugehen.“ Aus führenden CDU-Kreisen dagegen ist zu hören, dass „diese rigide Praxis problematisch ist“. Auch die SPD-Abgeordnete und DKLB-Verwaltungsratsvorsitzende Iris Spranger ärgert sich: „Die Lotto-Einnahmen sinken zulasten gemeinnütziger Zuwendungen. Ich wünsche mir, dass die Innenverwaltung die Werbung liberalisiert.“ Lotto sei ein gesetzlich geregeltes Glücksspiel, sagt DKLB-Vorstand Marion Bleß. „Wenn die Attraktivität von Lotto aber nicht kommuniziert werden darf, gewinnen am Ende die Illegalen.“

Ende 2011 hatten sich bis auf Schleswig-Holstein 15 Bundesländer auf eine Liberalisierung des Glücksspielmarkts verständigt. Sie wollen das Lottomonopol erhalten, 20 Lizenzen sollen an private Anbieter von Sportwetten vergeben werden. Allerdings hatte die EU-Kommission angemahnt, dass ein staatliches Monopol nur zulässig sei, wenn es die Suchtgefahr bei allen Spielarten konsequent bekämpfe. „Solange der Staatsvertrag nicht bei der EU durch ist, sollte Berlin seine strengen Maßstäbe beibehalten“, sagt Grünen-Finanzpolitiker Jochen Esser.

Der Staatsvertrag gilt nur, wenn ihn mindestens 13 Bundesländer gebilligt haben. Am Dienstag hat der Senat einen Gesetzentwurf zur Ratifizierung des Vertrags verabschiedet. Das Gesetz soll im Abgeordnetenhaus bis Ende Juni beschlossen werden, der Staatsvertrag am 1. Juli in Kraft treten.

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