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Die Staatsbibliothek Unter den Linden soll. 470 Millionen hat die Sanierung gekostet.

© BBR / Jens Andreae (Promo)

Berlins neuer Prunkbau: So sieht die Staatsbibliothek innen aus

Berlin erhält für 470 Millionen Euro eine imposante Staatsbibliothek. Bei der Sanierung kam heraus, woran beim Bau gespart wurde. Eine Besichtigung.

Säulen und Kolonnaden blitzeblank in staatsmännisch grauer Natursteinoptik, heller Putz an den von Hans-Günter Merz geflickten Kriegsschäden. „Schon schön“ – sagt eine Kollegin am Eingang der Staatsbibliothek Unter den Linden. Imposant ist das 30 Meter über den Köpfen gezogene, weiße Tonnengewölbe des Architekten – da kann man vor Gucken in die Luft schon mal eine Treppenstufe zum Lesesaal hochstolpern – und sich ganz klein fühlen.

Eine solche Wirkung auf seine Untertanen hätte ihm gefallen, Kaiser Wilhelm II., der den Architekt Ernst von Ihne mit dem Bau dieses Wilhelminischen Denkmals betraute. Es war das letzte Bauwerk, das der Kaiser selbst eröffnete, kurz vor dem ersten Weltkrieg und der Demokratisierungswelle in Europa, die Wilhelms Reich und Regentschaft beendete.

Schönheit kostet: 470 Millionen Euro allein für die Sanierung. Deren Zeitplan wurde wiederholt verlängert und sie dauerte mit knapp 15 Jahren länger als die Errichtung selbst. Im November ist Schlüsselübergabe, im Mai dürfen dann endlich alle rein. Der große Lesesaal der Bibliothek ist schon seit sieben Jahren fertig – und dessen knallroter Teppich ist so verblasst von den Tausenden Besuchern, dass er in Kürze ausgetauscht werden muss.

Rot, Sixties-Orange und das Tiefbraun der Räuchereiche dominieren das Interieur: Die Stuhlbezüge, Einfassungen auf teils noch historischen Tischen und an den Bücherregalen in den Lesesälen. Wo Wände nur vertäfelt sind, verbirgt sich oft der Schacht zum 1500 Meter langen Labyrinth der Buchtransportanlage, die mit 15 Aufzügen die Lesesäle mit den Magazinen verbindet. Klimatisiert ist der Altbau nun auch. Und es sind alle Spuren des DDR-Designs „überformt“, aus rund 40 Jahren realexistierendem Sozialismus.

Der Eingangsbereich des Gebäudes mit seinem weißen Tonnengewölbe.

© BBR / Jens Andreae (Promo)

Mit Ausnahme des „Lesenden Arbeiters“, den Bildhauer Werner Stötzer in den Hof stellte, wo er über sein Buch gebeugt steht. Die zeitgenössische Antwort darauf ist das unter dem Glasdach des Hauptlesesaals schwebende Knäuel aus überdimensionierten Titelseiten, das Olaf Metzel („Noch Fragen“) entwarf und wegen der prallen Farben und hyperrealen Gegenständlichkeit ein wenig an Jeff Koons erinnert.

Zu den Lehren dieser Sanierung gehört auch: Früher war nicht alles besser, es wurde genauso geschlampt, wie es Bauherrn heute nachgesagt wird. Da entdeckten die Bauleute unter dem Putz von Säulen einen Holzkern als Stütze. Und unter dem schmucken Messing am Treppengeländer hatte der Schmied vor 100 Jahren Stahl mit feuchtem Gips ummantelt statt mit Kunstharz: Deshalb fraß sich der Rost durchs Metall – und die Hälfte aller Stützen musste ersetzt werden.

„Der Kaiser verstand sich aufs Sparen“

Nicht nur geschlampt wurde vor 100 Jahren, des Kaisers Handwerksleute liebten Täuschungen. Die teils erhaltenen Wandregale sind nur an der Oberfläche aus gemasertem Edelholz, die Konstruktion ist aus einfachen Pressspan-Planken.

„Der Kaiser verstand sich aufs Sparen“, sagt Architekt Jörg Brandt. Die gewaltigen grauen Quader des „Stabi“-Rohbaus sind mitnichten aus Naturstein, wiewohl sie diesem ähneln: sie sind aus „Steinputz“. Nach heutigen Maßstäben und im Zeitalter des Fertigbetons ist das unbezahlbar. Denn die Struktur im Stein schlugen Arbeiter mit Hammer und Meißel heraus in endlosen Arbeitstagen.

Die Eröffnung war für 2012 geplant. Am Montag soll – sieben Jahre später – ist es tatsächlich soweit.

© BBR / Jens Andreae (Promo)

Dass zu Wilhelms Zeiten mehr Glamour war, ist an einer einzelnen Stelle zu erkennen. Etwa an der vergoldeten Ecke einer Säule im Humboldtsaal – und im Vollformat beim Raum von Stabi-Generaldirektorin Barbara Schneider-Kempf. Eine Kassettendecke aus Holz mit vergoldeten Blumenmustern, petrolblauen Einsätzen, purpurrote Wände bis zu den anschließenden Regalen – mehr als 100 Quadratmeter ehrfurchtgebietende Chefigkeit.

Nicht so recht passt dazu allenfalls Johann Sebastian Bachs Büste. Aber „der ist nur zu Besuch“, sagt Schneider–Kempf, als die Gender-Frage aufkommt. Immerhin setzte sie durch, dass ihr Zimmer nach Rahel Varnhagen von Ense benannt ist. Was reichlich konstruiert ist, denn die aus Berliner Salons bekannte Dame hatte nur über ihren Mann Bezug zur Staatsbibliothek. Andererseits ist das die Gegenwehr zur Geschichte des Ortes, die eine ist von ungleich verteilten Rollen, was sich in den vielen allesamt männlichen Büsten der Lesesäle manifestiert.

Berlins „Library of Congress“

Vor Kurzem aus Washington zurück, ist auch Gero Dimter, Vizepräsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zufrieden mit dem Ergebnis der Sanierung: Die Stabi müsse nicht mal den Vergleich zur „Library of Congress“ scheuen, findet er – obwohl letztere mit rund 24 Millionen Büchern etwa doppelt so viele führe wie die beiden Stabi-Häuser im Osten und Westen zusammen.

Und wie geht es jetzt weiter? Auch die „Generaleröffnung“ im Mai ist nur eine weitere Etappe: Danach muss noch das Museum des Hauses gebaut werden und der Bücher-Shop. Deshalb bleiben auch in den kommenden Jahren die Charlottenstraße sowie die Universitätsstraße mit Baucontainern zugestellt. Und wer schon vorab das sanierte Denkmal besichtigen will, kann dies zum Tag der Offenen Tür tun. Der Termin folgt in Kürze.

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