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SONNTAGS um zehn: Auch der Papst ist nicht unfehlbar Ein Gottesdienst bei den Alt-Katholiken, bei denen Frauen Priester werden dürfen

Zwischen Parkett-Company und Kindersitzverleih geht es in der Detmolder Straße in Wilmersdorf sechs Stufen hoch – und man steht in der Kirche der alt-katholischen Gemeinde. 50 Menschen, darunter viele Familien, umarmen sich und tauschen sich aus.

Zwischen Parkett-Company und Kindersitzverleih geht es in der Detmolder Straße in Wilmersdorf sechs Stufen hoch – und man steht in der Kirche der alt-katholischen Gemeinde. 50 Menschen, darunter viele Familien, umarmen sich und tauschen sich aus. Was einmal Wohnung war, ist jetzt Gemeindezentrum.

Die Alt-Katholiken hatten sich von der römisch-katholischen Kirche abgespalten: Sie wollten 1870 das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes nicht mitmachen und sahen nicht ein, dass der Papst Bischöfe ernennt. Sie blieben bei der alten Ordnung: Laien wählen Pfarrer und Bischöfe mit. Alt-katholische Pfarrer heiraten, Frauen dürfen Priester werden, das Abendmahl wird an alle ausgeteilt. Die Liturgie ähnelt der römischen. Die Gemeinschaft hat 16 000 Mitglieder in Deutschland, Tendenz steigend. Auf einen Austritt kommen vier bis fünf Eintritte.

Der junge Pfarrer Ulf-Martin Schmidt predigt über die Kraft der Träume. Wie wäre die Heilsgeschichte verlaufen, hätte Josef nicht auf den Engel in seinem Traum vertraut? Der Engel hatte Josef geraten, bei Maria zu bleiben, obwohl sie nicht von ihm schwanger war. Josef glaubte an seinen Traum und riskierte den gesellschaftlichen Skandal. „Wer sich nicht traut, seine Grenzen zu verschieben, blockiert sich selbst“, sagt der Pfarrer und erinnert daran, dass auch am Anfang vieler gesellschaftlicher Entwicklungen Menschen standen, die zu träumen wagten. Alle singen kräftig mit, so ist es nicht schlimm, wenn der Organist mal nicht mitkommt. Beim Friedensgruß wird ausgiebig nach allen Seiten gegrüßt, der Pfarrer schüttelt jedem die Hand – auch das trägt zur familiären Atmosphäre bei. Kein Wunder, dass auch frustrierte römisch-katholisch und evangelisch Getaufte hier eine neue Heimat finden. Claudia Keller

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