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Traditionsreiches Gewand. Die Ritter der Johanniter und Malteser ziehen am Sonntag feierlich in die Kirche ein.

© Doris Spiekermann-Klaas

SONNTAGS um zehn: Die Ritter der Nächstenliebe

Sie sind Ritter und tun Gutes: Jetzt feierten Johanniter und Malteser gemeinsam Gottesdienst in der Marienkirche am Alexanderplatz.

Da wehten sie herein, die Mäntel der Geschichte: Am Sonntag um halb elf zogen drei Dutzend Ritter des Johanniter- und des Malteserordens in ihren schwarzen Umhängen in die evangelische Marienkirche am Alexanderplatz ein. Die Kinder machten große Augen, die Erwachsenen reckten die Köpfe. Denn so viel Tradition und Prunk sieht man hier selten.

Nur selten fällt der 24. Juni, der Johannistag auf einen Sonntag. Und dass Johanniter und Malteser gemeinsam einen Festgottesdienst feiern, ist auch nicht alltäglich. Über viele Jahrhunderte pflegten sie im Heiligen Land gemeinsam Kranke und kämpften gegen die Muslime. Nachdem diese Jerusalem eingenommen hatten, zogen sie sich nach Zypern, dann nach Rhodos und Malta zurück. Seit der Reformation gehen die katholisch gebliebenen Malteser und die evangelischen Johanniter getrennte Wege. Geblieben ist der gemeinsame Auftrag: Gutes tun und Gott loben – wozu das Doppelgebot der Liebe Jesu Christi auffordert „Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen und Du sollst Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst“. So folgten den Rittern die Männer und Frauen der Johanniter-Unfallhilfe in die Kirche – in beigen Uniformen und neongelben Schutzjacken. Die Unfallhilfe ist eines von mehreren Werken in Trägerschaft des Ordens, die soziale Arbeit leisten. Allen gemeinsam, katholischen wie evangelischen Johanniter- wie Malteserwerken, ist das Symbol: das weiße Kreuz mit acht Spitzen auf rotem oder schwarzem Grund.

Nach dem feierlichen Einzug ging es ebenso feierlich weiter. Die Organistin zog alle Register, die Posaunen bliesen, das protestantische Liedgut wurde poliert. Das Glaubensbekenntnis sprachen Lektor und Gemeinde in der altertümlich anmutenden Version, in der von dem Herrn Jesus Christus die Rede ist, „aus dem Vater geboren vor aller Zeit, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“. Bertold Höcker, Superintendent von Mitte, und Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein gestalteten den Gottesdienst – mit viel Gespür für die Liturgie eines besonderen Tages.

In seiner Predigt ging Höcker auf Johannes den Täufer ein, dessen Geburt die Christen am 24. Juni feiern, ziemlich genau sechs Monate vor Jesu Geburt am 25. Dezember. So trägt der 24. Juni, der Johannistag, auch den schönen Namen „Sommerweihnacht“. Die Funktion von Johannes dem Täufer im christlichen Heilsgeschehen sei es gewesen, auf Jesu zu verweisen, sagte Höcker. Deshalb werde Johannes der Täufer auch gerne mit ausgestrecktem Zeigefinger dargestellt. Ihm nachzufolgen bedeute also, auf Jesus Christus und die Macht der Liebe zu verweisen.

Es reiche aber nicht, nur ein bisschen auf Jesus zu verweisen und ansonsten der „Macht der Sünde“ zu folgen. Also nicht schöne Sonntagsreden halten und unter der Woche üble Geschäfte machen, sonntags von Nächstenliebe reden und sich alltags über andere erheben oder sich klein machen und anpassen. Nein, man müsse sich bei allen Handlungen fragen: „Was würde der Liebe entsprechen?“ Intuitiv wisse man ja meistens, was zu tun wäre. Der Gottesdienst möge als Ermutigung dienen, so Höcker, dass man der Intuition folge. Er hätte erwähnen können, wie schwierig es für Johanniter und Malteser mittlerweile geworden ist, auf dem Markt der sozialen Dienste mithalten zu können. Er beließ es bei einem Hinweis im Nebensatz auf die Macht der Marktwirtschaft, die er eindeutig nicht der „Macht der Liebe“ zuordnete.

Nach Fürbitten und Abendmahl sangen die 300 Besucher zum Abschied ein kräftiges „Großer Gott, wir loben dich“. Die Kollekte am Ausgang kommt einer „Nachbarschaftsetage“ in Weißensee zugute, wo die Johanniter Kinder und Jugendliche versorgen, denen es nicht so gut geht. Nach dem Gottesdienst hatten es die Ritter eilig, aus der Kirche hinauszukommen und die Mäntel abzulegen. Dann gab es Eintopf und Johannisbeersaft. So sieht der Alltag aus, der Alltag im Zeichen der Liebe. Claudia Keller

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