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SONNTAGS um zehn: Ein Geläut, zwei Gottesdienste Die Luther-Gemeinde verkauft ihre Kirche und betet im Gemeindehaus

Kurz vor 10 Uhr übertönten gestern die Glocken der Luther-Kirche das monotone Geräusch der im Fahrplantakt über den Schöneberger Dennewitzplatz donnernden Hochbahn. Sie riefen gleich zwei Gemeinden zum Gottesdienst: die Mitglieder der American Church in die rote Backsteinkirche; und die evangelische Luther-Kirchengemeinde in ihr Gemeindehaus vis-à-vis am Bülowbogen.

Kurz vor 10 Uhr übertönten gestern die Glocken der Luther-Kirche das monotone Geräusch der im Fahrplantakt über den Schöneberger Dennewitzplatz donnernden Hochbahn. Sie riefen gleich zwei Gemeinden zum Gottesdienst: die Mitglieder der American Church in die rote Backsteinkirche; und die evangelische Luther-Kirchengemeinde in ihr Gemeindehaus vis-à-vis am Bülowbogen.

Geldnot machte 2002 die Kirchen-Vermietung nötig. Aus gleichem Grund wird die Luther-Gemeinde bis Jahresende gänzlich kirchenlos – für einen Euro werden die Amerikaner Besitzer ihres Gotteshauses. Die Luther-Gemeinde oder ihren Kirchenbau erhalten – da fiel die Entscheidung nicht schwer, sagte gestern Pfarrer Dirk Bartsch nach dem Gottesdienst. 13 000 Seelen betreut er im Bülowkiez, 17 davon hörten gestern Gottes Wort im Gemeindesaal.

Natürlich reicht da die Kollekte bei weitem nicht aus, um die dortige kleine, seit längerem defekte Orgel reparieren zu lassen. Gestört hat der fehlende Ton offenbar niemanden, man hatte ja den Pfarrer und seine klaren Worte.

Auf den guten Weg, den zu Gott, wollte er die Zuhörer, vom Kindes- bis zum Rentenalter, mit seiner Predigt bringen. So wie in der Apostelgeschichte, in der Petrus und Johannes dem lahmen Bettler vor dem Tempel nicht das erhoffte Gold oder Silber gaben, sondern ihn aufstehen und im Namen Jesu laufen hießen. Damit brachten die Apostel den Bettler sozusagen auf Augenhöhe mit sich: Sie ließen ihn, so interpretierte der Pfarrer, „auf die eigenen Füße fallen“ und gaben ihm sein Recht zur gleichen Freiheit zurück. Auch wir trauten uns nicht zu laufen. Nicht auf Andersartigkeit oder Sonderrechte sollten wir schauen, sondern darauf, dass wir auf die Füße kommen, denn vor Gott seien wir alle gleich. Nur wenn keiner über den anderen herrsche, sei der Bettler kein Bettler mehr und wir alle auf gutem Weg zu Gott. Heidemarie Mazuhn

Heidemarie Mazuhn

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