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Die Wucht der Detonation schleuderte die Scheiben von der Sparkasse auf die Straße.

© dpa

Sparkassenüberfall in Mariendorf: Blutspuren am Tatort - und die Ärzte schweigen

Am Tatort der überfallenen Sparkasse in Mariendorf entdeckten Ermittler Blutspuren - vermutlich von einem der Täter. Dürfen Mediziner Hinweise auf den verletzten Einbrecher geben? Nein – zumindest nicht direkt.

Von Sandra Dassler

„Glücklicherweise gab es keine Verletzten“, hieß es zunächst bei der Polizei, als vor neun Tagen die Sparkassenfiliale am Mariendorfer Damm auseinanderflog. Wie berichtet hatten Einbrecher mehr als hundert Schließfächer im Kellerraum der Sparkasse ausgeräumt und dann ein Feuer gelegt, um ihre Spuren zu beseitigen. Dadurch hatte sich ein Gasgemisch gebildet, das am 19. Oktober, einem Sonntag, kurz vor sieben Uhr explodierte. Die Wucht der Detonation riss mehrere große Scheiben aus der Verankerung und schleuderte die Scherben bis auf die gegenüberliegende Straßenseite.

Dass weder Autofahrer noch Passanten getroffen wurden, war wohl der frühen Stunde geschuldet und grenzte tatsächlich an ein Wunder. Zumindest einen Verletzten aber muss es gegeben haben, teilte die Polizei später mit. Die Ermittler hatten am Tatort Blutspuren gefunden und gingen davon aus, dass sich einer der Einbrecher eine stark blutende Wunde zugezogen hat. Ihre Suche nach Zeugen, die Hinweise auf eine Verletzung geben könnten, richtete sich natürlich auch an Ärzte.

Berufsrechtliche Sanktionen drohen

Doch diese würden gegen die ärztliche Schweigepflicht verstoßen, wenn sie der Polizei die Versorgung einer solchen Wunde melden würden. Das meinen zumindest die juristischen Experten beim deutschen Ärzteverein Hartmannbund. „Die Schweigepflicht ist ein sehr hohes Gut“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel: „Sie darf nur in absoluten Ausnahmefällen verletzt werden – beispielsweise, wenn Gefahr für Leib und Leben von Menschen in Verzug ist.“

Das sei aber in diesem Fall nicht zu erwarten, sagte der Sprecher weiter. Auch der Präsident der Berliner Ärztekammer Günther Jonitz meint, dass eine Verletzung der Schweigepflicht sogar berufsrechtliche Sanktionen nach sich ziehen könnte. „Sicher würde man keinem Kollegen deshalb seine ärztliche Approbation entziehen“, sagt er: „Aber mit einer Rüge oder einer empfindlichen Geldbuße müsste er eventuell rechnen.“

Manchmal müssen Ärzte reden

Aus strafrechtlicher Sicht wäre ein Arzt, der eine Wunde versorgt hätte, zunächst einmal Zeuge, heißt es bei der Staatsanwaltschaft. Allerdings habe er ein Zeugnisverweigerungsrecht. Sollte er sich entscheiden, von diesem nicht Gebrauch zu machen, drohe eventuell eine Klage wegen Geheimnisverrats.

Völlig anders liegt der Fall bei schweren Verbrechen wie Terrorismus oder wenn Gefahr im Verzug ist. Dann dürfen Ärzte nicht nur, sondern sie müssen sogar ihre Schweigepflicht brechen. Im Alltag kommt das gar nicht so selten vor. So informieren Ärzte von sich aus die Polizei, wenn sie Kinder behandeln, die offensichtlich Opfer häuslicher Gewalt wurden. „Wenn ein Arzt feststellt, dass die schweren Verletzungen eines Babys nie und nimmer von einem Sturz herrühren können, wie die Eltern behaupten, muss er natürlich handeln“, sagt ein Ermittler.

Ähnlich sei es bei Frauen, die von ihren Männern halb totgeschlagen oder vergewaltigt würden, sich aber nicht trauten, dieses anzuzeigen. Dann könne der Arzt oder die Klinik den Kontakt zur Polizei oder zumindest zu entsprechenden sozialen Diensten herstellen.

Schweigepflicht gilt nicht für die Putzfrau

Juristisch ist das mit dem Begriff des höherrangigen Rechtsguts beschrieben. Das Strafverfolgungsinteresse des Staates stellt meist kein höherrangiges Rechtsgut dar. Da aber auch Ärzten daran gelegen sein dürfte, kriminellen Mitbürgern das Handwerk zu legen, lernen Medizinstudenten schon ziemlich zeitig, dass die Schweigepflicht zwar für den Arzt und die Krankenschwester gilt, nicht aber für die Putzfrau oder den Pförtner. Unter anderem deshalb hatte die Polizei im Fall des Sparkassenüberfalls von Mariendorf gefragt, wer am Morgen des 19. Oktober eine derartige Wunde versorgt – oder „die Wundversorgung beobachtet“ habe.

Gebracht hat es bisher allerdings nichts, sagte ein Polizeisprecher. Von den 27 Hinweisen, die bis Montagabend bei den Ermittlern eingingen, kam keiner aus einer Arztpraxis.

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