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Berlin: Sperrige Naturmale von Hans Brockhage in der Galerie Berlin

Der Blick in die Galerie gleicht dem auf eine Bühne. Ein Szenarium aus schlaksigen Silhouetten baut sich auf.

Der Blick in die Galerie gleicht dem auf eine Bühne. Ein Szenarium aus schlaksigen Silhouetten baut sich auf. Eben noch tänzerisch bewegt, erscheinen sie jetzt regungslos erstarrt. Breiter Schritt verfestigt sich zur gegrätschten Beinbrücke oder spreizt sich schräg ab. Merkwürdige Wesen, größer als der Mensch, dem sie ähneln: hochgewachsen, mit Andeutung von Gliedmaßen. Baumwesen sind es, gemacht aus dunklem, verbranntem Holz. Selten auf Sockeln, meist bodennah auf flachen stählernden Plinthen. Abstrakte Gestalten, geschaffen von Hans Brockhage, dem Bildhauer aus dem sächsisch-böhmischen Erzgebirge.

"Von Anfang an war das Holz sein Meister. Es war um ihn. Es war ihm über." Das schrieb Christian Löhr, Pfarrer aus Schwarzenberg, wo Brockhage 1925 geboren wurde und noch heute lebt. Er studierte nach dem Krieg in Dresden, u. a. bei dem ehemaligen Bauhäusler Mart Stam, wurde Dozent auf Burg Giebichenstein, später Professor an der Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg. Er gehörte zu den originellsten Vertretern der Bildhauerkunst aus der DDR, aber bei der gleichnamigen West-Wanderausstellung von 1988 war er nicht dabei. Abstraktes war dort die Ausnahme. Brockhage hingegen galt als Vertreter der angewandten Kunst. Zahlreiche baugebundene Arbeiten in mehreren Städten zeugen davon. Immer wieder hat er es verstanden, seine "Skulpturen" neuer oder guter alter Architektur beizuordnen.

Im Westen Berlins trat Brockhage 1985 mit vier ostdeutschen Kollegen im Neuen Berliner Kunstverein auf. Damals waren seine Werke zum Teil noch blockhaft-statuarisch. Die aus den neunziger Jahren sind dynamischer, expressiver, raumgreifender, von "Entfliehen" (15 000 Mark) und "Poem des Tanzes" (25 000 Mark) bis zur eindrucksvollen Dreiergruppe aus "Barriere", "Krieger des Regenbogens" und "Die langen Schatten des Krieges" (von 12 000 bis 19 000 Mark). Noch immer arbeitet der Bildhauer in und mit dem Holz, schafft sich "eine ureigene Welt von Formen, in der ich lebe". Früher war es Fichte, jetzt Eiche, Ahorn und vor allem die fossile Mooreiche. Auch in der "Bronze für Archipenko" (36 000 Mark) bleibt Holz als formgebendes Material erhalten, in "Offering" (42 000 Mark) erscheinen beide Stoffe kombiniert.

Brockhage spaltet, sägt und bebaut das Holz, bestrahlt es mit Sand, fräst, brennt und beizt es, doch immer bleibt das Schroffe erhalten, nie wird das Rohe, Urwüchsige domestiziert. Aus gefällten oder gestürzten Stämmen sind archaische Zeichen entstanden, sperrige Naturmale von herber Strenge, mahnend, ungefüg und gespenstisch-schreckhaft.Galerie Berlin, Friedrichstraße 231, bis 28. August; Dienstag bis Freitag 11 - 18 Uhr, Sonnabend 11 - 14 Uhr.

Michael Nungesser

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