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Staatsoper: Die Macher hinter den Mauern

Udo Metzner hat Gewicht, was er sagt, ebenfalls. Der Chefinspizient steuert den Ablauf hinter der Bühne.

Von Susanne Leimstoll

Auf die dunkle Lamellentür hat einer gekritzelt: Udos Kabuff. Da drin arbeitet zwar nicht nur Udo, auch seine Inspizienten-Kollegen. Aber es ist klar, wer hier der Chef ist. Der hat die Schlüsselgewalt, lässt das Rollo hoch auf der Dauerbaustelle Bühne und sagt mit rheinischem Singsang: „Die Jalousie hab’ isch anbringen lassen, damit dat hier nisch vermüllt.“ Dann zwängt der Pilot der Oper sich rein in sein Cockpit: ein beleibter Mann, raumfüllend. Udo Metzner, 55, Chefinspizient der Staatsoper, hat Gewicht. Was er sagt, ebenfalls. Seine Funktion ist mit einem Satz beschrieben: „Ohne dat isch dat sage, machen die nix.“

Er blickt auf vier Bildschirme, zwei Computer und ein Pult mit 156 Knöpfen in Ampelfarben. Damit startet, steuert und landet er die Maschine Vorstellung, dirigiert Regieassistenz, Techniker, Sänger, Tänzer, Komparsen, Chor, Requisite, Hydrauliker. Und zwar präsise. „Ich bin Perfektionist“, sagt Udo Metzner. Ein Statement, unumstößlich. Meist bleibt es beim Wunsch. Von seinen Vorstellungen an „reichlich 60 Theatern“ kann er sich an keine zehn perfekten erinnern. Perfekt heißt: „Dat Ding aufnehmen und verkaufen – ohne einen Schnitt.“

Aber irgendwas geht immer schief, und wenn nur ein kleines Requisit fehlt. Ist eben so, kriegen die meisten gar nicht mit. Da rastet er nicht gleich aus. Anders, wenn es aus Nachlässigkeit oder Unlust passiert, da kann er laut werden. Aber dann ist es auch wieder gut. Das Gesicht hinter dem grau-roten Rübezahlbart verrät keine Regung. Udo ist eine Respektsperson, aber keiner, vor dem man sich fürchten muss. Einer auch zum Anlehnen. Einer, dem sie im Vorbeigehen zuwinken und Küsschen zuwerfen. Fels in der Brandung. Er sagt, ein Inspizient dürfe eines nicht zeigen: Nerven. Er muss blitzschnell reagieren, ein Multitasking-Talent sein.

Außer den fünf Inspizienten aus seinem Team ist ihm keiner der Leute hinter der Bühne direkt unterstellt, aber er gibt jedem seinen Einsatz. Kann in jede einzelne Garderobe sprechen, ruft die Solisten rechtzeitig zum Auftritt. Dann bittet er höflich „Herrn Domingo“ zur Bühne, auch, wenn er sich sonst mit ihm duzt. Fährt den Vorhang per Computer, punktgenau, mit Blick auf den Dirigenten dort oben auf dem Bildschirm. Er entscheidet, nach welchem Takt Zuschauer verspätet ins Theaterdunkel hineinschlüpfen können. Er kann eine Vorstellung abbrechen. Vor Jahren in der Zauberflöte versagte die Hydraulik. Über das Loch auf der Bühne haben sie Bretter gelegt, dann ging die Aufführung weiter.

Über Monitore behält er die Szenerie im Blick: die Bühne, den Maestro, die Liste mit der Besetzung und den zugehörigen Garderoben, jede Markierung in den Tiefen der Bühne. Die Infrarotkamera, ein Auge, das im Dunkeln sieht, lässt er durch den Raum schweben, gibt das Kommando, wann Kulissen wie schnell gleiten und stoppen sollen. Etwa jetzt in Mussbachs Don Giovanni, wo sich fortwährend verschwenkbare Monolithen über die Bühne schieben, im Winkel oder parallel anhalten, während Solisten und Chor sich daran entlanghangeln oder dazwischenschieben. Geht nicht ohne diese Kamera, sagt Udo Metzner. „Ach, die Technik gibt es schon länger. Die ham wir 1983 in Bayreuth erstmals groß einjesetzt.“

Das weiß er, weil er neben der Lindenoper – dort ist er seit 1993 – schon 27 Jahre bei den Festspielen in Bayreuth den Chefinspizienten macht. Im Juni wissen sie im 300-Seelen-Dorf Untersteinach, wo er auf dem Bauernhof Logie nimmt, jetzt kommt der Udo wieder. Und der bleibt drei Monate. Momentan hat er noch ein Tanztheater-Projekt mit Sasha Waltz, das ist im Juni in Tel Aviv, und mal sehen, wohin das dann verkauft wird. Da ginge er mit, wenn die Jahresplanung in Berlin es zulässt und keine großen Produktionen dazwischenkommen.

Wenn Udo Metzner Dienstschluss hat in einer Sieben-Tage-Woche mit zweigeteilten Diensten, fährt er meist nicht heim nach Schöneberg, sondern zum Tanzstudio seiner Frau Amparo de Triana, einer Flamenco-Tänzerin von Rang. Er macht das Lichtdesign für ihre Shows, nebenbei, so zum Spaß. Spanisch spricht er nicht, die Gattin stammt aus Braunschweig. Zwei Künstlerwelten, die die Liebe zur Musik eint. Ein Faible, das er manchmal zur Schau trägt: An diesem Nachmittag liegt Udo Metzners Talisman, ein silberner Notenschlüssel an stabiler Silberkette, auf der breiten Pulloverbrust. Wo er doch eigentlich Krawatten sammelt. Zur „Carmen“ trug er eine mit Kussmündern. Susanne Leimstoll

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