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Berlin: Stadtbad Oderberger Straße: Schwimmbecken sitzt auf dem Trockenen

Wie ein Schlösschen erhebt sich das von Ludwig Hoffmann um 1900 gebaute Stadtbad in der Oderberger Straße. Architektur im Stil der Renaissance sollte für das Volk auch ein Stück Lebensqualität in dem damaligen Großstadtmoloch bedeuten.

Wie ein Schlösschen erhebt sich das von Ludwig Hoffmann um 1900 gebaute Stadtbad in der Oderberger Straße. Architektur im Stil der Renaissance sollte für das Volk auch ein Stück Lebensqualität in dem damaligen Großstadtmoloch bedeuten. Hoffmann, der als Stadtbaurat fast alle Kommunalbauten in der Zeit konzipierte, wollte seine Stadt vor allem sozialer gestalten. Dabei war die "öffentliche Reinigungsanstalt" in Prenzlauer Berg eines der ersten Bäder Berlins. Wenn der Architekt heute, nach fast hundert Jahren, noch einmal dort schwimmen wollte, müsste er in ein verwahrlostes leeres Becken blicken.

Was der architektonisch reizvollen Anlage seit Jahren widerfahren ist, klingt nach einer unendlichen Geschichte. Gleich nach dem letzten Badetag am 10. Dezember 1986 - das Bassin musste damals aufgrund des schlechten baulichen Zustands geschlossen werden - gründete sich die Bürgerinitiative (BI) Stadtbad Oderberger Straße, die seitdem vergeblich um ihr Bad kämpft. Zu DDR-Zeiten sollte schon mit der Sanierung begonnen werden, selbst das Land Berlin wollte nach der Vereinigung zuerst noch 45 Millionen Mark investieren. Ein Projekt wurde erarbeitet. 1995 strich der Senat den Bau aus der Investitionsliste - danach ruhte das Thema. Obwohl die BI darauf zwei Konzepte für die Erhaltung des Stadtbads, die so genannten "Badbücher" vorstellte, interessierte sich keiner für ihr Anliegen. Die Vorschläge sahen eine Mischung aus Schwimmbad, Museum und Jugendhotel vor - Kostenpunkt 28 Millionen Mark. Vor zwei Jahren wurden die Türen endgültig geschlossen. Jetzt verkommt die denkmalgeschützte Anlage.

Als die Berliner Bäder-Betriebe kurz nach der Übernahme des Gebäudes 1996 die Heizung abgeschaltet hatten, setzten kalte Winter den Innenräumen zu. Nach der letzten Besichtigung vor einigen Tagen, zu der sich der Bauausschuss des Bezirks, der Sanierungsträger S.T.E.R.N. und die Bürgerinitiative trafen, bot sich ein neues Bild: das Becken war mit Graffiti besprüht, Fliesen herausgebrochen worden. Zudem fehlten Ornamente im Treppenhaus. "Mittlerweile gibt es vier Einstiegsmöglichkeiten, auch Fensterscheiben wurden zerschlagen.", sagt Karin Ludwig von der Bürgerinitiative. "Das alles ist in den letzten zwei Monate passiert." Nun dränge die Zeit, um das Stadtbad nicht endgültig seinem Schicksal zu überlassen. In einem offenen Brief hat man sich jetzt an den Senat gewandt. Über 6000 Unterschriften für die Erhaltung wurden gesammelt.

Zumindest sei die Situation jetzt eine andere. Nachdem beide Vorstandsvorsitzende der Bäder-Betriebe vor kurzem gehen mussten, sieht die Bürgerinitiative einen Hoffnungsschimmer. "Die haben sich immer gegen das Konzept eines Schwimmbads und eine Zwischennutzung gestemmt", sagt Karin Ludwig. Sie wirft auch dem Bezirksamt vor, seine Kontrollverpflichtung gegenüber den Bäderbetrieben nicht ernst genommen zu haben. "Die Bauaufsicht hat den Ort jahrelang ignoriert." Obwohl die Bezirksverordneten sich im März dafür aussprachen, das Haus zu sichern, die Option einer Nutzung als Bad offenzuhalten und eine behutsame kulturelle Zwischennutzung zuzulassen, passierte wenig. "Der Bezirk muss sich zu seiner Entscheidung bekennen", fordert Bernd Holtfreter, Sprecher der Initiative.

Holtfreter kennt das Schwimmbad schon seit den 70er Jahren. "Damals habe ich noch drei Mal die Woche dort geduscht, weil unsere Altbauwohnung kein Bad hatte", erzählt er. "Das Stadtbad sah zwar an vielen Ecken schon etwas gammelig aus, hatte aber Flair. Und es sollte ja schnell saniert werden." Noch bis 1998, der endgültigen Schließung, seien die Duschabteilung und die Saunen bei Anwohnern beliebt gewesen. Kunstaktionen ließen zudem das Haus nicht aus dem Gedächtnis der Leute verschwinden.

Manfred Radermacher, Sprecher der Bäderbetriebe, kann die Anschuldigungen nicht nachvollziehen: "Wir sind Betreiber, nicht Eigentümer des Gebäudes. Die bauliche Erhaltung ist Aufgabe des Bezirks", sagt er. "Wir können nur Dinge betreiben, die noch als Bad funktionieren." Die Bäderbetriebe hätten das Stadtbad weder dichtgemacht, noch sich gegen die Option Baden ausgesprochen. "Leider denkt die Bürgerinitiative einseitig, dabei sollten wir lieber gemeinsam nach Lösungen suchen."

Auch das Bezirksamt weist die Vorwürfe zurück: "Wir haben uns immer für eine Zwischennutzung stark gemacht", sagt der Sport- und Kulturstadtrat Burkhard Kleinert (PDS). Mehrmals habe man die Bäderbetriebe ermahnt, wurde jedoch immer wieder vertröstet. "Der Bezirk kann nicht über das Gebäude verfügen", sagt Kleinert. Eine weitere Zwischennutzung sei zudem wegen der Baumängel nicht möglich. "Die Initiative erwartet einfach zu viel, Gelder werden bei der Finanzmisere kaum fließen." Und konkrete Angebote von Investoren lägen ihm auch nicht vor.

Nunmehr will die Bürgerinitiative selber ein Projekt einreichen: Sie gründet eine Genossenschaft. Damit solle das Objekt gesichert, eine kulturelle Zwischennutzung weitergeführt und Teile des Gebäudes vermietet werden. Ein bis zwei Millionen wolle man investieren. BI-Sprecher Holtfreter ist sich sicher, dass das Objekt zu Beginn des nächsten Jahres aus der Verantwortung der Bäderbetriebe in den Liegenschaftsfonds des Landes übergehe werde. Dann werde man sich bewerben. "Es wird zwar eine Sparvariante, aber ein Projekt, das sich die Menschen im Kiez wünschen." Holtfreter geht davon aus, dass das Stadtbad nicht vor 2012 in der Investitionsliste des Landes steht. Bis dahin wolle man durchhalten.

Henning Kraudzun

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