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© Doris Spiekermann-Klaas

''Achtung Berlin'': Filmfestival: Geschichten aus dem Görli

Diesen Mittwoch startet das Festival „Achtung Berlin“. Ein Film dokumentiert den schrägen Alltag im Kreuzberger Park.

Wer es hier schafft, kann es überall. Die Gräser sind hoch, überall wächst Klee, in einem richtigen Golfklub würden sie das Gelände „Rough“ nennen. Aber Bernie, der kauzige dünne Typ mit den Rastazöpfen, kennt dieses Grün quasi auswendig. Es ist ja der Görli. Es ist ja sein Park.

Bernie kommt regelmäßig her, um „Asi-Golf“ zu spielen, wie er selbst sagt. Andere wollen jonglieren, Musik machen oder einfach entspannen. Und ständig sieht man Männer mit einer Bierflasche in der Hand, die aber großen Wert darauf legen, dass die echten Alkis drüben in einer ganz anderen Ecke des Parks rumhängen. Das sind die Stars in Volker Meyer-Dabischs Dokumentarfilm „Der Adel vom Görli“, der auf dem heute beginnenden Festival „Achtung Berlin“ gleich zwei Mal gezeigt wird. Der Regisseur lebt seit 16 Jahren in der Wiener Straße, in unmittelbarer Nähe zum Park. Er hat darin zahllose Sommernachmittage verbracht, viele Geburtstage seiner beiden Söhne gefeiert. Nun hat er dem Park ein Denkmal gesetzt, vor allem aber dessen Besuchern.

Es sind schräge Typen, die Volker Meyer-Dabisch interviewen durfte – die sich ihm geöffnet haben, oft erst nach einigen Tagen Bedenkzeit. Ein Skater verrät, dass er morgens um sechs gerne im Landwehrkanal Schwänen hinterherschwimmt und deren Federn einsammelt. Irgendwann will er sich Schmuck daraus machen. Ein türkischer Eisverkäufer erklärt Meyer-Dabisch, wie im Görlitzer Park Integration abläuft: Die Türken haben hier zuerst gegrillt, sagt er, und jetzt machen das auch die Deutschen. „Die haben es gelernt.“ Das Tolle an „Der Adel vom Görli“ ist, dass Meyer-Dabisch seine Parkgäste nie als Freaks vorführt, sondern immer als selbstbestimmte, ernstzunehmende Sonderlinge zeigt, jeder auf seine Art ganz patent und liebenswert.

Völlig ungefährlich sei es nicht, das Spielen im Görli, sagt Bernie, der Asi-Golfer. Jedenfalls nicht für die anderen Parkbesucher. Man sollte vorher besser auf einer Driving Range üben, sonst könne es Verletzungen geben. Ob er selbst schon mal jemanden mit seinen Bällen getroffen habe? „Ein paar.“ Seinen Kumpel Steffen etwa, und leider genau gegen die Rippe, die eh schon mal gebrochen war. Als Entschuldigung gab er Steffen seine Wandergitarre. Ernst werden die Golfer, wenn sie erklären, dass sie keine Junkies im Park dulden, vor allem nicht die mit der „Pulverscheiße“, damit meinen sie Heroin, Speed, Tabletten. Solchen Leuten erteilen sie Parkverbot. Obwohl, sagen sie, dann komme manchmal das Gegenargument, sie selbst seien doch ziemliche Kiffer. Aber das sei was anderes.

Gedreht hat Meyer-Dabisch an 15 Tagen im Sommer 2009. Ohne Produktionsfirma, ohne nennenswertes Budget. Er hat sich einfach in den Park gesetzt und versucht, mit interessanten Menschen ins Gespräch zu kommen. Das klappte erstaunlich gut, sagt er, bloß die Haschischdealer und die professionellen Pfandflaschensammler wollten sich partout nicht interviewen lassen. Außerdem klauten ihm zwei kleine Jungs eine Kamera. Die war aber zum Glück gebraucht.

Wie der Regisseur auf seinen Filmtitel kam, wird erst gegen Ende der Dokumentation verraten: Als „Adlige“ bezeichnen manche im Park nämlich die Alkoholiker. Weil man doch blau ist, wenn man zu viel getrunken hat. Also fast Blaublüter.

Volker Meyer-Dabisch überlegt, ob er seinen Film diesen Sommer im Park zeigen soll. Und ob er dafür vorher beim Bezirksamt um Genehmigung fragt – oder ob er es einfach macht. Irgendwie ahnt man, wie diese Geschichte ausgeht.

„Der Adel vom Görli“ läuft am Sonntag ab 17.30 Uhr in der Passage (Karl-Marx- Straße 131, Neukölln) und am Mittwoch um 20.15 Uhr im Filmtheater am Friedrichshain (Bötzowstr. 1). Eintritt: sieben Euro.

Sebastian Leber

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