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Majestäten en masse. Höhepunkt der Grünen Woche: Die Produktköniginnen strahlten gestern in Halle 3.2 um die Wette. Jede wirbt für ihren eigenen Fachbereich.

© Paul Zinken

Auf der Grünen Woche: Im Königreich der Leckerlis

Lammkönigin, Linsenprinz, Kartoffelkönigin, Ochsenfurter Zuckerfee und Peitzer Teichnixe: 130 Kronenträger und Fabelwesen werben bei der Grünen Woche für die verschiedensten Produkte. Vor allem Frauen werden als Imageträger eingesetzt.

Die Grillzange ist sein Zepter, die Bratwurst, die auf den Zacken seiner Krone aufgespießt ist, das Symbol seiner Macht. Ein Hermelinpelz-Imitat um seine Schultern verleiht ihm die Würde, die ihm zusteht: Rudi I. ist der Thüringer Bratwurstkönig. Gleich wird er mit seiner Gefolgschaft aus Suhler Grillzwergen und etwa 130 sogenannten Produktköniginnen auf die Bühne in der Messehalle 3.2 emporsteigen. „Dies markiert den Höhepunkt der Grünen Woche“, kündigt der Vorsitzende der Fördergemeinschaft nachhaltige Landwirtschaft (FNL), Gerd Sonnleitner, unter den ungläubigen Blicken der Zuschauer an. Denn hier, fügt er möglicherweise unfreiwillig zutreffend hinzu, sei „eine schöner wie der andere“.

Aber viele Herren haben es ohnehin nicht zum Botschafter eines der unzähligen Produkte auf der Messe gebracht. Rudi I. ist stolz, neben dem Edlen von Torgow zu Zossen und dem Linsenprinz einer der wenigen Vertreter des starken Geschlechts unter den Hoheiten zu sein. In seinem Königreich mache ihm jedenfalls keine Frau so schnell den Thron streitig. „Braten, das ist doch Männersache.“ Doch für den Geschlechterkampf ist er nicht hergekommen. Nach dem Willen der FNL soll er „ein Botschafter glaubwürdiger Nahrungsmittelerzeugung“ sein, Nachhaltigkeit und Produktvielfalt der deutschen Landwirtschaft repräsentieren.

„Wir sind eigentlich aus einem Karnevalsverein“, erzählt Rudi I. Alle zwei Jahre gebe es einen Wettkampf. Dabei zähle vor allem die Show, der Geschmack spiele nachweislich keine Rolle. Wichtig sei aber, dass man sich mit dem Produkt identifizieren könne, sagt er weiter. „Und ich liebe Thüringer Bratwürste. Das sieht man doch.“ Mit einem herzhaften Lachen schlägt er sich dabei auf seinen offenbar von vielen Würsten geformten Bauch.

Katharina Bossmann sieht man glücklicherweise nicht an, dass sie die amtierende Rheinische Kartoffelkönigin ist. Sie hätte eine gute Rosenprinzessin abgegeben. Wer weiß, eines Tages hätte sie es zur Kirschblütenkönigin bringen können. Doch von allen Pflanzen der Welt hat sich die 20-Jährige ausgerechnet für die Kartoffel entschieden. „Ich habe eben eine gute persönliche Beziehung zur Kartoffel“, sagt sie. Schon früher habe sie ihrem Vater oft bei der Ernte geholfen. Schließlich seien es aber ihre Brüder gewesen, die sie ermutigt hätten, sich um den Posten zu bewerben. Ihr Bild auf der Titelseite der Rheinischen Landwirtschaftszeitung und ein Treffen mit Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner zählt sie zu den Höhepunkten ihrer Amtszeit. Drei bis vier Termine pro Woche muss die Kunststudentin im Herbst manchmal als Kartoffelkönigin wahrnehmen. Anstrengend sei das. Aber Katharina steht voll hinter ihrer Knolle. „Man lernt viele Leute kennen und wirbt für ein gutes Produkt“, sagt sie. „Tote Babyschafe promoten – das könnte ich nicht“, fügt sie halblaut hinzu.

Es ist ein Seitenhieb in Richtung der nordfriesischen Lammkönigin, Bente Peterson, die einige Meter weiter steht und erzählt, wie sie früher mit Schafen und Lämmern groß geworden sei.

Neben „toten Babyschafen“ finden hier auch alle anderen Produkte, die sonst keine Lobby haben, einen Fürsprecher. Sei es die Rhododendronkönigin, die Ochsenfurter Zuckerfee, die Peitzer Teichnixe oder die bayerische Mehlkönigin. Denn das Werben auf der Grünen Woche ist lukrativ. Bis zum Sonntag verzeichnete die Messe bereits über 100 000 Besucher.

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