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Berlin Story: "Höchste Eisenbahn" - Nostalgie der20er Jahre

Im Salon der Buchhandlung Berlin Story startete die Hollaender-Revue: "Höchste Eisenbahn". Das kleine Salontheater im Keller bietet sogar Speisen und Getränke - und "juten Berliner Jeist".

In Berlin geht alles sehr schnell. Da bauen sie eine prominente Ecke aus (Unter den Linden/Friedrichstraße), eine Buchhandlung (Berlin Story) zieht ein, präsentiert lokale Literatur- und Sachbuchgeschichten in einer Fülle, die ihresgleichen sucht, und bringt alle 14 Tage ein neues Werk zur Welt – im eigenen Verlag. Und nun spielt da auch noch ein kleines Salontheater im Keller, sogar mit Speisen und Getränken.

In der Berlin Story stolpert man regelrecht über Berliner Lokalgeschichte vom Urschleim bis zu Gegenwart und Zukunft, und dann sind da die Preußen, zwischen zwei Buchdeckeln und in Gips, die Prinzessinnen zum Hinstellen und der Große Chef, als Büste und in Buchform mit allem, was er je gedacht und gesagt hat. Auf 1600 Quadratmetern bieten die Berlin-Story-Macher mit ihrem Chef Wieland Giebel an der Spitze 10 000 Bücher über Berlin, viele davon mehrsprachig – eine Fundgrube für Touristen, die in zwölf Sprachen freundlich bedient werden. Das größte Lob für den Buch- und Souvenirladen Unter den Linden 26 kommt vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der die Berlin Story auf Platz eins seiner Hitliste als erfolgreichste Buchhandlung in Deutschland im Jahre 2008 gesetzt hat.

Wer abends in dem leicht plüschig-gemütlichen Theater im Keller sitzt, weiß sich vom juten Berliner Jeist umgeben, über ihm stapeln sich die unzähligen Seiten, auf denen diese Stadt gelobt, besungen, gefeiert und getadelt wird, und nebenan steht die jüngste Gegenwart in Form eines „Trabant“, der nichts dagegen hat, dass sich Besucher mal so zur Probe hinters Lenkrad quetschen. Nebenan, im Salon („Die neue Bühne in Berlins Mitte“), hatte gerade eine Berliner Revue Premiere: „Höchste Eisenbahn“ nannte Friedrich Hollaender sein Stück im Kabarett-Stil der zwanziger und frühen dreißiger Jahre. Da treffen sich auf dem Bahnhof oder im Coupé die komischsten Leute, singen ihr Couplet und bringen uns ein Stückchen Nostalgie: So sahen sie also aus, unsere Urgroßmütter und -väter, so rollte sie mit den Augen, die Unschuld vom Lande, wenn sie von der verruchten Glitzerwelt der großen Stadt gestreift wurde. Das Ensemble „artdeshauses“ hat die Revue von 1932 aus Notenskizzen und einem Textbuch rekonstruiert, die Lokomotive kommt etwas schwer in Fahrt, aber je länger sie schnauft, desto mehr Dampf kommt unter den Kessel, sechs Darsteller und drei Musiker singen und tanzen als träge Gepäckträger, frivole Strohwitwen, Machos oder als vornehme Dame mit dem gewissen Kribbeln im Bauch. Man sieht: Flirten im Bahnabteil hat es schon immer gegeben, ob über den Zeitungsrand oder mit dem Laptop auf den Knien. „Was wir tagsüber ernsthaft mit Literatur machen, wollen wir abends mit Lebensfreude ausklingen lassen“, sagt Wieland Giebel zu seinen Programmen, die teilweise mit einem Drei-Gänge-Menü angereichert werden. Es gibt einen Dinner-Krimi, Jeannette Urzendowsky mit „Rin ins Verjnüjen!“, demnächst Robert Kreis und am 23. und 24. April die Seebühne Hiddensee mit Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“. Lothar Heinke

Infos und Karten: Tel. 20 07 70 83

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