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Stadtleben: Bloß keinen Top-Ten-Hit

AUFTRITT DER WOCHE: Architecture in Helsinki spielen bei der Popkomm mit Witz und Kuhglocke

Es wird eng auf der Bühne im Postbahnhof. Nicht wegen der sechs Musiker, da gibt es weit größere Bandkollektive. Aber wegen der vielen Instrumente, die Architecture in Helsinki mitbringen: Tuben, Oboen, Glockenspiele, die Sitar und die Farfisa-Orgel. Und natürlich die Kuhglocke, ohne die geht es nicht.

Die Masse an Instrumenten macht das Touren für die Band zur ständigen Geduldsprobe. Allein fürs Einchecken am Flughafen brauchen die Musiker bis zu drei Stunden, behaupten sie. Und diese Prozedur müssen sie oft auf sich nehmen: Seit dem Erfolg ihrer Platte „In Case We Die“ von 2005 sind sie die meiste Zeit des Jahres unterwegs. „Essen, trinken, touren“, hat Frontmann Cameron Bird den Alltag seiner Gruppe kürzlich beschrieben.

Dass die aus Australien und nicht Finnland kommt, hat sich inzwischen rumgesprochen. Und dass der Bandname ein Witz sein sollte, den niemand so recht versteht, darüber können sich die Mitglieder auch im achten Jahr ihres Schaffens noch amüsieren. „Verwirrung“ gibt Cameron Bird als künstlerisches Leitmotiv aus, das merkt man auch den ungewöhnlichen, schrägen – im Prinzip: durchgeknallten – Popsongs an, die Architecture in Helsinki schreiben.

Die Australier werden nicht die technisch versierteste Band der diesjährigen Popkomm sein. Schon deshalb nicht, weil sie auf der Bühne ihre Instrumente miteinander tauschen und deshalb keiner eines perfekt beherrscht. Dafür haben die sechs mit ihrem Auftritt am Donnerstag (siehe Infokasten) aber beste Chancen, die ideen- und abwechslungsreichste Popkomm-Band zu werden. Auf ihrem gerade erschienenen dritten Album „Places Like This“ mischen sich Elektro, Funk, zarter Pop und sphärische Chöre; Sänger Bird kann Falsett, aber auch grölen. Das heißt jedoch nicht, dass in der Gruppe für alle Ideen Platz ist: Ursprünglich war die Band zu acht, zwei Mitglieder mussten inzwischen aufgrund „kreativer Differenzen“ gehen.

Architecture in Helsinki sind eine „experimentelle Band“, weiß Cameron Bird. Aber, darauf legt er Wert, eine „kluge“. Die nämlich nicht den Fehler macht, ihr Publikum mit Zehn-Minuten-Endlos- Songs zu langweilen. „Je kürzer, desto besser“, sagt Kellie Sutherland, die einzige Frau in der Gruppe. Besonders gut hat das beim Stück „The Cemetery“ geklappt, wenn auch eher zufällig: Beim Einspielen im Studio wurde der Schlagzeuger plötzlich müde, er hörte mittendrin auf. Das fanden die anderen so witzig, dass das Lied jetzt grundsätzlich unvermittelt in der Mitte abgebrochen wird.

Manche finden die Band albern. Manche sagen, mit ihren übersprudelnden Ideen werden sie niemals großen Erfolg haben, weil sie das Massenpublikum verschrecken. Letzterem stimmen die Australier zu. „Wir werden nie einen TopTen-Hit schreiben“, sagt Bird. Dazu gebe es einfach zu viele Möglichkeiten, eingängige Popsongs kreativ zu verunstalten.

Trotzdem verdient die Band gut. Auch weil sie einen Trick gefunden hat, mit hohem Tempo neue Alben zu schreiben. Frontmann Bird ist nach New York gezogen – und wenn er tagsüber an einem Song gebastelt hat, schickt er ihn abends per Mail zu seinen Kollegen in Melbourne. Dank der Zeitverschiebung ist dort bereits ein neuer Tag angebrochen und der Rest kann weiterarbeiten. „Wir sind jetzt doppelt so schnell“, sagt Bird.

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