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© Doris Spiekermann-Klaas

Café Moskau: Tagen statt tanzen

Das denkmalgeschützte Café Moskau öffnet mit neuem Konzept: Clubreihen sind nicht mehr geplant, dafür Kongresse und Konferenzen

An den Geruch kann sich Ralf Regitz noch genau erinnern: eine Mischung aus Linoleum und Putzmittel. Und an die vielen hübschen Mädchen, die mit verträumtem Blick vorne am DJ-Pult standen, wo gerade Paul van Dyk auflegte, der zu dieser Zeit noch weit davon entfernt war, ein Star zu sein. Es war das erste Mal, dass Regitz das Café Moskau besuchte. Damals, Mitte der Neunziger, hätte er es sich nicht träumen lassen, dass er je beruflich in dem einstigen DDR-Prestige-Treff zu tun haben würde.

Heute läuft Ralf Regitz, 45, durch das Gebäude und ist nicht mehr Partygast, sondern Betreiber. Er habe das Haus schon lange im Blick gehabt, erzählt er. Als Nicolas Berggruen, Sohn des Sammlers und Kunstmäzens Heinz Berggruen, das Objekt an der Karl-Marx-Allee in Mitte vor zwei Jahren von der Treuhand kaufte, bot sich für ihn die Gelegenheit. Er bewarb sich mit einem Konzept und bekam den Zuschlag. Seine Referenz als langjähriger Betreiber des E-Werks kam ihm offenbar zugute. Den einstigen Technotempel an der Wilhelmstraße hat Regitz über die Jahre vom einstigen Szeneclub in eine sogenannte Event-Location verwandelt.

Ähnliches schwebt ihm nun mit dem Café Moskau vor. „Wir machen hier mit Absicht etwas Erwachsenes“, sagt Regitz. Die insgesamt 15 Räume sollen an Geschäftskunden vermietet werden, die für ihre Tagungen, Kongresse und Konferenzen „einen authentischen Ort“ suchen. Gerade erst hat Til Schweiger hier die Premiere seines neuen Films „Zweiohrküken“ gefeiert. Für Regitz war das eine Art Probelauf. „Ab Januar geht es richtig los“, sagt er, „wir sind bereits gut gebucht.“ Bis dahin werden auch die Handwerker fertig sein, die jetzt noch mit letzten Arbeiten beschäftigt sind.

Mehrere Millionen Euro soll Nicolas Berggruen in die Sanierung des denkmalgeschützten Baus investiert haben. Für diese Summe wurde das Haus von Grund auf erneuert, unter Leitung des Berliner Architekturbüros Hoyer Schindele Hirschmüller. Ein Großteil der Holzvertäfelung in den Räumen ist entfernt worden, ebenso wie das Linoleum auf dem Boden des großen Saales in der oberen Etage. Dafür wurde Parkett verlegt. Und ein zweites Foyer angebaut. Alles natürlich unter Einhaltung strenger Vorschriften. Denn das von Josef Kaiser und Horst Bauer erbaute Haus steht unter Denkmalschutz. 1964 wurde es als Spezialitätenrestaurant für russische Küche eröffnet. Es war beliebtes Ausflugsziel, auch bei internationalen Gästen. Wer hier essen wollte, musste weit im Voraus einen Tisch reservieren. „Die Architekten haben versucht, die Originalästhetik des Gebäudes zu erhalten und sie mit der Technik und dem Anspruch von heute zu verbinden“, sagt Regitz. Ein Teil der Umbauarbeiten aus den Achtzigern wurde wieder rückgängig gemacht. Das heutige Moskau solle an den ursprünglichen Entwurf anknüpfen und zeigen, wie man mit solchen Objekten umzugehen hat, sagt er und deutet hinüber zum Café Alberts auf der anderen Straßenseite. Dort befand sich zu DDR-Zeiten die legendäre „Mokka-Milch-Eisbar“, die nach der Wende etwas zu überambitioniert saniert worden ist und dadurch viel von ihrem früheren Charme eingebüßt hat.

Im Café Moskau soll das nicht passieren. Der Großteil der 3800 Quadratmeter Nutzfläche ist von der Farbgebung unaufdringlich und nüchtern. Nur im Keller dominieren Violett, Braun und Pink. Hier sollen künftig Partys stattfinden, wenn auch nur gelegentlich. Zum Beispiel am Silvesterabend. Dann lädt Partymacher Bob Young zum Jahresendcountdown und lässt in Erinnerung an alte Zeiten ein russisches Buffet aufbauen.

Im Februar soll im Café Moskau die Eröffnungsparty der Berlinale mit 2400 geladenen Gästen steigen. Einen regelmäßigen Clubbetrieb wird es jedoch nicht mehr geben. Vermutlich weil die Partys, die bis zur Sanierung hier stattfanden, das Gebäude in Mitleidenschaft gezogen haben. So war die alte Auslegeware unter all den festgetretenen Kaugummis kaum noch zu erkennen. Und auch die Sofas mussten aufwendig aufgearbeitet werden. Nun riecht es im Café Moskau nicht mehr nach Vergangenheit, sondern nach Zukunft. Nach neuem Leder und Parkett. Ein Duft, der Ralf Regitz gefällt.

 Nana Heymann

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