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ZDF

© Kleist-Heinrich

Fernsehen: Im Großstadtrevier

Am Neuen Kreuzberger Zentrum dreht das ZDF seine Krimis in einer nachgebauten Polizeiwache - die war früher eine Moschee.

Kurz nach neun steigt er die schmuddelige Treppe hoch, betritt einen betonierten Hinterhof, geht an verlassenen Läden mit beschmierten Rollläden vorbei. Steuert auf ein utopisches, achteckiges Bauwerk mit schrägen Fenstern zu. Ein richtiges Haus ist das nicht, auch kein Pavillon. „Ein tolles Präsidium“, sagt Christian Berkel, „wie ein Raumschiff“.

Der Schauspieler liebt diese Lage, die „hässlich und reizvolle“ Szenerie, so mitten und völlig unvermutet in Kreuzberg. Für ihn steht und fällt die Rolle mit diesem Ort. Hier ist er viele Stunden im Dienst gewesen, nachdenklich als „Der Kriminalist“. Die Dreharbeiten für die aktuelle Staffel des ZDF-Freitagabend-Krimis gehen in die letzte Runde, im Neuen Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor.

Dass oben auf dem Hinterhofdach über einer Apotheke und einer Grillstation gedreht wird, wissen selbst viele Anwohner nicht. Vom Hochbahnsteig Kottbusser Tor ist der Dachaufbau nur als Zipfel zu erkennen, von der Straße gar nicht zu sehen. Der zweistöckige Aufbau im Hinterhof war in den siebziger Jahren als Gewerbe-, auch als Gemeinderaum geplant, diente lange einer Moschee, stand leer.

Vom Krimi ist er wiederentdeckt und zum Polizeipräsidium, zum Landeskriminalamt geworden. Voller Glas und Jalousien, voller Schreibtische und Monitore. Hier ermittelt eine Sonderkommission, deren Chef Christian Berkel den Hauptkommissar Bruno Schumann spielt. Frank Giering ist sein Kollege Henry Weber und Stephanie Japp die Kommissarin Jana Wagner,auch Antonia Holfelder und Mehmet Bozdogan ermitteln hier.

Sie lösen knifflige Fälle, dröseln sie gefühlvoll aus der Opferperspektive auf. Es gibt ein Verhörzimmer, einen Raum voller Monitore. Unter der Regie von Dagmar Hirtz haben die Filmleute trotz gläserner Kühle eine fast wohnliche Bürolandschaft mit Küche inszeniert, die richtige Polizei könnte neidisch werden.

Warum ein Polizeipräsidium gerade hier, auf dem Flachdach des Neuen Kreuzberger Zentrums? Szenenbildnerin Alexandra Pilhatsch und Produzentin Katja Mosler erklären, es habe für die Sonderkommission eine „gute Ecke, städtisch, volksnah, mittendrin“ sein müssen, möglichst mit dekorativer Hochbahn im Hintergrund, was sich auch gut bei nächtlichen Aufnahmen macht.

Rund 30 Orte kamen in die Wahl, darunter Räume im Bikini-Haus am Breitscheidplatz mit schrägem Blick auf den Bahnhof Zoo. Aber kein Platz war so treffend wie dieses Kreuzberger Ufo auf dem Dach. Allein die Architektur! Weil immerhin ein Drittel der Serie im Polizeipräsidium spielt, muss der Ort ein Hingucker sein. Die Leute von Monaco Film bauten zusätzlich viel Glas ein. Wie die wirklichen Kommissare im Präsidium arbeiteten, schauten sich die Filmleute natürlich an, aber sie fanden, solche Räume müsste man nicht nachbauen, sie seien ziemlich uninteressant. Auch die ZDF-Krimireihe „KDD“ – Kriminaldauerdienst – hat sich ein eigenes, markantes Präsidium gesucht: die einstige Heeresbäckerei an der Köpenicker Straße.

Hier, am Kottbusser Tor, kann die Sonderkommission fast in familiärer Überschaubarkeit arbeiten. Verblüffend ist die Liebe zum Detail: Die Schreibtische der Kommissare sind voller Akten und täuschend echter Formulare, es liegen Fachbücher über „kriminalistische Kompetenz“ herum, die Fahndungsplakate sind keine Attrappen und auch der Einsatzplan an der Wand für das „Morddezernat LKA 117“ sieht nach Behörde aus.

Gerade haben die Schausspieler Berkel und Giering den Tod eines Geschäftsmanns aufzuklären, sie vergleichen auf einer Videowand Opferfotos und reden leise. Es ist ohnehin still beim Dreh. Dabei fällt auf, wie schallgeschützt der Ort in der lauten Umgebung ist. Nicht einmal das Rauschen der Hochbahn ist zu hören.

Es ist eine Welt für sich. Im Hinterhof vor dem Krimi-Ufo hat die Kiez-Werkstatt ihren Platz. Ein soziales Projekt, das beispielsweise Fahrräder repariert. Lothar Friedel arbeitet hier, er weiß oft gar nicht, ob die Filmleute gegenüber da sind oder nicht. So mucksmäuschenstill ist es. Tags zuvor war am Kotti eine Kurden-Demo, erzählt Friedel. Da kam kurz auch mal richtige Polizei die Stufen zum Hof hinauf. Die Filmleute hatten – wegen einer Außenaufnahme – vor den Eingang ihres Domizils das Schild „Landeskriminalamt“ gehängt. Das brachte die Polizei ein wenig aus der Fassung.

Christian van Lessen

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