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Sam Riley und Alexandra Maria Lara in "Control".

© Promo

Filmstar Sam Riley: Die Anonymität in Berlin genießen

Der britische Schauspieler Sam Riley ("Control") lebt in Charlottenburg. Ihm gefällt, wie entspannt die Berliner mit Stars umgehen.

Von Markus Hesselmann

Der Flug aus London-Stansted ist gelandet. Ein Mann, Mitte zwanzig, steht am Gepäckband. Er könnte einer von vielen jungen Briten sein, die ein paar Tage in Berlin verbringen wollen, der Stadt mit der außergewöhnlichen Geschichte und der spannenden Partyszene. Zwei englische Mitreisende sprechen ihn an. Bandnamen wie „Joy Division“ und „New Order“ sind zu hören. Bald wird klar: Der Mann ist der Schauspieler Sam Riley. „Das ist das erste Mal, dass mir das passiert ist“, sagt er später. „So von fremden Leuten angesprochen zu werden.“ Am Tag zuvor lief in London sein erster großer Film an. In „Control“ spielt er Ian Curtis, den Sänger der Band Joy Division, der sich 1980 das Leben nahm.

Die Szene am Flughafen Tegel ist schon einige Wochen her. Inzwischen ist Riley in Großbritannien ein Star. Der Film „Control“, der im Januar in Deutschland anläuft, ist ein Erfolg an den Kinokassen und gewann Preise wie zuletzt den British Independent Film Award. Doch Sam Riley genießt die Anonymität in Berlin. Mit seiner Freundin Alexandra Maria Lara, die er beim Dreh zu „Control“ kennenlernte, wohnt Riley in Charlottenburg. „Near the Kurfürstendamm“, sagt er und denkt kurz nach. „Ich weiß, als junge Schauspieler müssten wir wohl eher in Mitte leben. Aber wir gehen nicht gern auf Partys. Ich mag diesen ganzen Celebrity-Kram nicht.“

Wenn er in Berlin ist, treffen sie sich lieber mit Alexandra Maria Laras Familie oder ihren Freunden. Wie so viele Briten ist Riley fasziniert vom vielen Grün in Berlin und vom vielen Wasser. „Ich mag den Wannsee. Da bin ich im Sommer gern schwimmen gegangen.“ Außerdem ist Sam Riley gut damit beschäftigt, Deutsch zu lernen. Ins Gespräch streut er immer wieder deutsche Wörter ein: „Ja“ oder „Genau“. Dem Briten Riley gefällt, dass die Berliner entspannt mit ihren Stars umgehen und sich auch seine Freundin einigermaßen frei bewegen kann. „Ich merke schon, dass sie auf der Straße den Kopf senkt und versucht, nicht erkannt zu werden“, sagt Sam Riley. „Und natürlich schauen die Leute nach ihr. Aber wenn ich sehe, wie zum Beispiel Keira Knightley bei uns Tag und Nacht von lauernden Fotografen belagert wird, dann ist das hier sehr angenehm.“

Dass Alexandra Maria Lara in Deutschland ein Star ist, wusste Sam Riley nicht, als er hörte, dass sie mit ihm in „Control“ spielen wird. „Ich war schon nervös genug, mit Samantha Morton zu drehen“, sagt Riley. Die britische Schauspielerin wurde mit Filmen wie Woody Allens „Sweet and Lowdown“ oder Steven Spielbergs „Minority Report“ bekannt. In „Control“ stellt Samantha Morton die Ehefrau von Ian Curtis dar. Alexandra Maria Lara spielt die Geliebte. Riley erzählt, er habe sich kurz vor Drehstart erst den „Untergang“ angeschaut, mit Alexandra als Hitlers Sekretärin. „Danach wurde ich noch nervöser“, sagt Riley. „Jetzt würde ich als Anfänger also mit zwei großen Stars drehen.“ Und er würde sich in eine von beiden verlieben und ihr nach Berlin folgen.

Der Film ist die Geschichte eines in sich zerrissenen Künstlers. Ian Curtis schwankt nicht nur zwischen Frau und Geliebter, sondern auch zwischen der fast schon exhibitionistischen Lust, sich auf der Bühne zu verausgaben, und der Angst vor der totalen Vereinnahmung und Erschöpfung. Diese Angst wird verstärkt durch die epileptischen Anfälle, die er erleidet, auch bei Konzerten. Am Tag vor dem Aufbruch zu Joy Divisions erster Amerika-Tour erhängt sich Ian Curtis in dem Haus in der Nähe von Manchester, in dem er mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter lebte. Er wurde 23 Jahre alt. Trotz aller Melancholie des in Schwarz-Weiß gedrehten Films stellt Sam Riley den Sänger nicht als depressiven Loser dar, sondern als lebenshungrigen Künstler, der ein Werk schuf, das vielen Menschen bis heute etwas bedeutet. Riley, der mit seiner Band 10 000 Things selbst eine Zeit lang als Rocksänger auftrat, liebt die Musik der späten Siebziger, der Zeit nach der Punkrock-Explosion. „The Clash, Talking Heads, The Ramones – diese Bands wirkten so viel entschlossener im Vergleich zu heutigen Musikern“, sagt Sam Riley. „Sie wirkten, als hinge für sie alles davon ab, genau diese Musik zu machen. Es ist diese Dringlichkeit (urgency).“ Joy Division war eine der einflussreichsten Bands jener Jahre. Die Nachfolgeband New Order wurde vor allem mit ihrem Hit „Blue Monday“ zu einer der erfolgreichsten britischen Bands der Achtzigerjahre und darüber hinaus.

„Control“ ist der Durchbruch für Sam Riley, der bis dahin nur kleinere Rollen gespielt hatte und sich zeitweise mit Gelegenheitsjobs durchschlagen musste. Beim Filmfestival in Cannes feierten die Kritiker vor allem seine Leistung. „Da wurde wohl gerade ein Star geboren“, schrieb die britische Zeitung „The Guardian“. Einer der fünf British Independent Film Awards für „Control“ ging an ihn als besten Nachwuchsdarsteller. Seit Wochen werden nun über ihn in den englischen Medien die Tellerwäscher-Klischees erzählt und wiederaufgewärmt. Die Geschichten vom kleinen Mann, der gestern noch in einem Kaufhaus in Leeds Hemden faltete, um sich sein spärliches Auskommen zu verdienen, und heute ein Filmstar ist. Das ist ihm ein bisschen peinlich. „Wenn meine Freunde diese Sachen lesen, lachen sie sich kaputt“, sagt Sam Riley. „Denn sie wissen genau, wie arbeitsscheu ich bin.“

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