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Stadtleben: Göre im Herzen

Edith Hancke wird heute 80 Jahre alt. Auf der Theaterbühne will sie noch lange stehen

Sie sitzt im Sonnenlicht draußen bei „Dressler“, schaut auf den Kurfürstendamm, und viele Leute, die vorbeikommen, stutzen. Das Gesicht kennen sie doch. Sie grüßen, lächeln, rufen in ihre Richtung. Sie lächelt zurück. „Ick hab’ nüscht verstanden“. Aber es wird schon was Nettes gewesen sein. Edith Hancke, die Schauspielerin, die Berliner Kodderschnauze, ist so bekannt und beliebt, dass es nur Nettes sein kann. Apart und zierlich wirkt sie, wie sie da vor ihrer Limo sitzt, im modischen Kostüm mit passender Kappe. Große Klappe, kleine Frau. Sie wirkt jünger, zeitlos. „Das liegt in der Familie“, sagt sie und ist stolz auf ihr glattes Gesicht. „Eine Tante sah noch mit 90 wie knapp über 60 aus.“

Sie selbst wird heute tatsächlich 80 Jahre alt. „Die Zahl bedeutet mir nichts, ist nicht schlimm“, sagt sie. Aber sie leidet darunter, dass viele Weggefährten, die noch vor zehn Jahren mitgefeiert hatten, nicht mehr mit ihr quatschen können: etwa Günter Pfitzmann, Horst Buchholz oder auch Wolfgang Gruner.

Aber „Sonne“ ist da, ihr Mann und Schauspielerkollege Klaus Sonnenschein. „Sonne lacht jeden Morgen beim Aufstehen“, sagt sie lächelnd. Es klingt sehr warm und liebevoll. Sie lässt gern und zärtlich spüren, woher sie Kraft schöpft.

Pension Schöller ist gerade mit großem Erfolg am Ku’damm gelaufen, ohne viel Werbung, aber mit viel Mundpropaganda. Auch nach dem Ende der Vorstellung schien das Publikum wie auf den Sesseln zu kleben, ließ die Schauspieler mit Beifallsstürmen nicht von der Bühne. „Spielen macht Spaß“, sagt sie. Sie will noch lange spielen, nur eines will sie nicht: auf der Bühne umfallen. Wie vor vielen Jahren ein Kollege bei einer Theaterprobe, zu der auch die Presse eingeladen war. Er fiel tot um, die Fotografen schossen begeistert ihre Fotos. Sie glaubten, das alles gehöre zum Theaterstück.

Mit ihrem Mann hat sie gerade einen Fernsehfilm gedreht, „Schaumküsse“ heißt er, eine lustige, konfliktreiche Familienangelegenheit, die im nächsten Jahr im ARD-Programm gezeigt wird.

Auf der Bühne stehen ist ihr wichtiger. „Ich will das Echo hören, will wissen, ob gelacht wird, wenn ich komisch bin.“ Sie ist, wenn sie die große Klappe aufreißt, nun mal komisch. Das mag ein Grund sein, weshalb sie nie leidenschaftliche Liebhaberinnen verkörpert hat.

Für ein Geburtstagsfoto verlässt sie das Restaurant vor den Ku’damm-Bühnen für einen kurzen Bühnenauftritt. Sie steht oben, ganz allein im Licht, das Theater drumrum ist ganz still und feierlich. Sie erzählt, dass sie beim Spielen nie ins Publikum guckt, weil sie das ablenkt. Sie lacht, wirkt plötzlich wie ein junges Mädchen, eine Berliner Göre. In Charlottenburg wuchs sie auf, Spielhagenstraße, Mietshaus, vierter Stock. Die Tochter eines Bankangestellten besuchte die Schauspielschule, drehte erste Filme bei der Defa, darunter den „Biberpelz“. Am 21. Dezember 1949, das Datum hat sich ihr eingeprägt, bekam sie die erste Bühnenrolle in der „Wildente“ im Renaissance-Theater. Seither hat sie in fast 50 Filmen gespielt, in ungezählten Theaterstücken, das „Fenster zum Flur“, da war sie 72, spielte sie fast ein Jahr lang. Sie machte auch Kabarett bei den „Stachelschweinen“. „Die Hancke“ steht für Berlin wie der Funkturm. Auch als Synchronsprecherin ist sie bekannt, und viele Zeichentrickfilme werden erst mit ihrer Schnarr-Quäk-Stimme, die sie unverwechselbar draufhat, zum Erlebnis.

Am Sonntagvormittag ehren sie das Theater am Kurfürstendamm und der Theaterclub mit einer Matinee, viele Freunde und Kollegen feiern mit: etwa Friedrich Schoenfelder, Brigitte Grothum, Dagmar Biener, Horst Pillau, Hans-Jürgen Schatz. Sie selbst spielt Theaterszenen, singt Chansons. „Sonne“ ist auch dabei.

Die Matinee beginnt am Sonntag um 11 Uhr. Karten für 20 Euro gibt es nur beim Berliner Theaterclub – Telefon: 313 70 07.

Christian van Lessen

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