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Mit Bart: GSZS-Star Wolfgang Bahro als Theater-Hitler.

© Paul Zinken

GZSZ-Star Wolfgang Bahro: "Ich will Hitler entmystifizieren"

Seit 18 Jahren spielt Wolfgang Bahro in der Soap "GZSZ" mit. Jetzt mimt er Hitler. Kann das gutgehen? Ein Gespräch mit dem Schauspieler.

Herr Bahro, Sie sind seit 18 Jahren als Jo Gerner das Böse bei Gute Zeiten, Schlechte Zeiten. Nun spielen Sie Hitler am Jüdischen Theater. Erst schleimiger Advokat, jetzt Massenmörder. Müssen Sie ihre Figuren hassen, um sie spielen zu können?

Nein. Im Gegenteil. Ich hege für alle meine Figuren Sympathien, versuche sie zu lieben, selbst wenn es Arschlöcher sind. Sonst könnte ich sie nicht spielen. Auch wenn sich das bei Hitler schrecklich anhört, aber ich versuche zuerst zu verstehen, wie dieser Mensch denkt.

Wie Hitler denken, sich in ihn hinein versetzen. Ist Ihnen das schwer gefallen?

Es ist natürlich eine Gratwanderung. Man darf man nicht zu viel Mitgefühl für einen Massenmörder aufbringen.

Jo Gerner ist kein Gutmensch. Der Schritt zum Volksverhetzer erscheint trotzdem radikal. Wie sind Sie zu dieser Rolle gekommen?

Dan Lahav, der Regisseur des Stücks, wollte schon länger etwas mit mir gemeinsam machen.

Vor einiger Zeit hatte er ein Stück geschrieben, in dem er Missbrauchsfälle in der jüdischen Kirche thematisierte. Ich sollte einen Rabbiner spielen, der Jahre später von einem seiner ehemaligen besucht und angeklagt wird. Das hat sich dann aber zeitlich nicht ergeben. Nun wurde Lahav von Rolf Hochhuth gebeten, in Jüdischen Theater „Gasherd und Klistiere“ zu inszenieren. Er hat sofort eingewilligt und mir dann vorgeschlagen, den Hitler zu spielen. Ich war angenehm überrascht.

Das klingt, als hätten Sie sich auf die Arbeit mit der Figur Adolf Hitler gefreut.

Ganz so ist es nicht. Für mich ist das viel eher eine große Herausforderung, diese Rolle zu spielen. Und dann auch noch am Jüdischen Theater. Es lastet da auch eine gewisse Verantwortung auf mir.

Waren Sie sich, gerade vor diesem Hintergrund, im Klaren darüber, dass die Darstellung Hitlers ein schauspielerischer Balanceakt werden könnte?

Natürlich. Besonders, weil wir, Dan Lahav und ich, uns ja von vornherein waren bewusst, dass auch Menschen in unsere Vorstellung kommen werden, die einen unmittelbaren Bezug zu Hitler und den Folgen seiner Ideologie, seiner Politik und seinem grausamen Regime haben, weil sie Verwandte oder Freunde in den Konzentrationslagern verloren haben.

Wie begegnen Sie dieser Herausforderung?

Dan Lahav hat schon zu Beginn gesagt, dass er keine realistische Darstellung des Hitlers haben möchte. Er könne nicht verantworten, diesen Mann als realen Menschen auf die Bühne zu stellen. Das kann ich durchaus nachvollziehen.

Ohne Bart: Wolfgang Bahro in echt.

© dpa

Werden Sie sich trotzdem das Bärtchen ankleben?

Ich denke mal schon, wir haben uns entschieden, ihn nicht zu verfremden. Dan Lahav wollte ursprünglich eigentlich  einen blonden Zweimetermann auf die Bühne stellen. Einen Hitler, so abstrakt wie möglich. Mein Hitler wird dem echten Hitler jedoch äußerlich schon entsprechen. Ich werde auch so reden wie er, allerdings sehr viel grotesker agieren.

Ist die Satire, die Flucht in die Groteske, die einzig mögliche Auseinandersetzung mit der Figur Adolf Hitler?

Das denke ich schon. Ich hätte größere Probleme den realen Hitler darzustellen. Auch Probleme, das mit mir zu vereinbaren Es ist vielmehr mein Anliegen, dass ich den Hitler entmystifiziere, anstatt ihn zu dämonisieren. Und das kann nur durch Lachen geschehen.

Erleichtert dieser Ansatz Ihnen auch den Zugang zu diesem Charakter?

Diese Herangehensweise macht es mir leichter, mich der Figur anzunähern. Auch leichter, als etwa den Gerner zu spielen, den ich als echten Menschen wahrnehme. Durch diese Skurrilität ist es, als würde ich einen Clown spielen. Und mit diesem Clown kann ich umgehen. Für dieses Zerrbild kann ich auch Sympathien entwickeln. Für einen echten Adolf Hitler könnte ich das nicht. Ich denke mir, dass etwa Bruno Ganz im Untergang da viel größere Probleme hatte, als ich jetzt.

An welchen Stellen haben Sie diese Komik in der Führerfigur ausmachen können?

Das Stück ist von Rolf Hochhuth ohnehin als Posse geschrieben, es ist komisch gemeint. Wobei diese Komik in dem Wahnsinn, in der Idiotie dieses Mannes liegt. In der Figur Hitler selbst und in der Konsequenz seiner verqueren Rassentheorien. Wenn er etwa seine Diätköchin, auf die er angewiesen ist, entlässt, weil sie Achteljüdin ist. Oder, wenn er in einen Konflikt gerät, weil er erfährt, dass der Großvater von Johann Strauß, seinem Lieblingskomponisten, als getaufter Jude aus Ungarn nach Deutschland gekommen ist. Er hört Strauß gerne, darf ihn aber plötzlich nicht mehr hören, weil er auch das nicht vor sich verantworten kann.

Ist diese Darstellung des Hitlers nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten Seifenoper bei GZSZ auch eine Möglichkeit für Sie, einmal das starre Rollenkorsett des Jo Gerner abzustreifen?

Nicht unbedingt. Der Hauptgrund war nicht die Emanzipation von Jo Gerner. Dazu hätte ich den Hitler nicht gebraucht. Mich hat tatsächlich in erster Linie, die Figur, die Rolle gereizt. Das zu machen und mit Dan Lahav zu arbeiten. Ich habe neben GZSZ ja auch immer noch politisches Kabarett bei den Stachelschweinen, spiele an manchen Abenden allein sechs Rollen. Dort ist der Gegenpart zu Jo Gerner schon gegeben.

Glauben Sie, dass der Hitler Ihnen dabei helfen könnte, eine gewissen Distanz zu Ihrem Vorabend-Charakter aufzubauen?

Um das zu erreichen, müsste ich wahrscheinlich viel eher eine andere Rolle im Fernsehen spielen.

Wenn ich etwa plötzlich in einer Komödie auftreten würde, als liebevoller Narr, das wäre der Kontrapunkt zu Gerner. Denn eigentlich ist Hitler mehr eine logische Konsequenz. Von Gerner zu Hitler ist es  nicht so weit. Da hätte ich eher einen Sympathen spielen müssen. Oder Jesus.

Wie viel Jo Gerner steckt mittlerweile in Wolfgang Bahro?

Ich denke, es ist eher umgekehrt, es ist über die Jahre mehr Bahro in Gerner geflossen. Wobei meine Beziehung zu dieser Figur sowieso ambivalent ist. Ich würde mir Gerner nie zum Freund, dafür aber als Anwalt nehmen. Wobei man dazu sagen muss, dass er nie wirklich einen Fall gewonnen hat. Ich glaube, er ist ein lausiger Anwalt.

Trotz allem werden Sie, wenn Sie auf der Straße erkannt werden, im Regelfall als „Herr Gerner“ angesprochen.

Das stimmt. Die wenigsten Menschen wissen, dass ich eigentlich Wolfgang Bahro bin. „Es ist auch so, dass ich oftmals Anfragen bekomme, von Leuten, die wollen, dass ich ihre Fälle vor Gericht übernehme, oder sich erkundigen, wo es das Morgenecho gibt, diese Tageszeitung, die Gerner liest. Manche erkundigen sich auch, ob Sie bei mir einen einen Tisch im „Fasan bestellen können. Die können das nicht unterscheiden. Wenn ich einmal ein Buch schreibe, habe ich deshalb auch schon den perfekten Titel: „Ich bin nicht Jo Gerner!“

Also doch ein gewisse Abneigung gegenüber Jo Gerner?

Nein, gar nicht. Ich kämpfe vielmehr wie ein Löwe, wenn irgendeiner versucht, im Drehbuch Handlung aus Gerner einen Idioten zu machen oder die Figur zu denunzieren. Wenn sich Gerner plötzlich wider seine Natur oder meine Überzeugung in einer bestimmte Art und Weise verhalten muss, damit die Geschichte funktioniert. Da flippe ich aus. Ich lasse mir diese Figur nicht kaputt machen. So gesehen ist er doch ein Freund geworden. Ich fühle mich für Gerner verantwortlich.

Das Gespräch führte Lucas Vogelsang.

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