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Köpenick: Wächter des Müggelturms

Wer oben ist, genießt den Ausblick. Wer unten steht, sieht eine Ruine. Das beliebte Ausflugsziel auf dem Müggelberg verkommt seit Jahren. Einer hält die Stellung.

Es war kein gutes Jahr für András Milak. Die Fensterscheiben des Müggelturms wurden schon öfter eingeschmissen, daran hatte sich Milak ja mittlerweile gewöhnt. Er ersetzte die Scheiben irgendwann durch ein Metallgitter. Aber dann gingen die Randalierer einen Schritt weiter und zündeten seinen Kiosk an. Er brannte völlig ab. Drei Monate konnte Milak, 49, nicht arbeiten, dann kaufte er jenen weißen Anhänger, aus dem er nun Buletten, Pommes, Kartoffelpuffer und Milchreis verkauft. Milak kehrte mit dem Anhänger auf den Kleinen Müggelberg zurück, wo einst sein Imbisshäuschen stand. Den Wagen fährt er jetzt jeden Abend wieder herunter, damit er nicht auch zerstört wird.

Milak hält tapfer die Stellung am Müggelturm, gemeinsam mit seiner Kollegin, seit 2002 das Restaurant schloss, das zu DDR-Zeiten ein beliebtes Ausflugsziel war. Damals war der gebürtige Ungar „Mädchen für alles“ hier. Lange her.

Jetzt ist Milak der Herr des Müggelturms, auch wenn er ihm nicht gehört. „Ich geh’ hier nicht weg“, sagt Milak und schüttelt trotzig den Kopf. Seine Ohrringe glitzern in der Sonne, zwei rechts, drei links, dazu ein Nasenpiercing. Ein rosafarbenes Haargummi hält den schwarzen Pferdeschwanz zusammen. Die Köpenicker danken es ihm. Wenn die Sonne scheint wie an diesem Wochenende, kommen die Neugierigen zahlreich vorbei, Spaziergänger, Radler, Motorradfahrer. Viele sind Stammgäste. Gerade hat Milak eine Flasche Rotkäppchen-Sekt geschenkt bekommen, „Schön, dass Sie durchhalten“, steht auf dem angehefteten Zettel.

Milak hofft, bald wieder in einem der ehemaligen Restaurantgebäude arbeiten zu können, das zerstört und heruntergekommen hinter seinem Anhänger brach liegt. Er steht in Kontakt mit dem Investor, dem Krefelder Marc Förste mit seiner Firma Kieu Projektentwicklung. Diese hat das Gelände vor drei Jahren gekauft. Förste hatte große Pläne mit dem Müggelturm, wollte das Restaurant sanieren, obendrauf eine Terrasse anlegen. Doch bisher ist nicht viel passiert. In diesen Tagen immerhin haben Arbeiter den Schutt aus der Restaurantruine geräumt. Der Turm habe erst einmal hinten anstehen müssen, erklärt der Krefelder Unternehmer auf Anfrage, er müsse sich schließlich auch um andere Projekte kümmern. „Aber ich bin dran.“ Allein einen Zeitpunkt für den Umbau, den könne er nicht nennen. Einen Bauantrag gibt es laut Bezirksamt allerdings noch nicht. „Wir sind alle todtraurig“, sagt Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD).

Also grüßt auf ausgeblichenen Holzplatten noch immer der Hauptmann von Köpenick und lädt ein zu Theateraufführungen, die schon lange vorbei sind. Bauzäune säumen den Weg zu den alten Restaurantgebäuden. Die Ruine thront über Milaks Imbiss, ihre Fenster nur leere Löcher. Auf dem Dach bohren und hämmern zwei Arbeiter. Bis Ende des Jahres, sagt Marc Förste, solle das Gebäude zumindest nirgendwo mehr offene Stellen haben. Entkernt ist es schon.

In András Milaks Ohren ist der Baulärm Musik. Es passiert wieder etwas, wenigstens ein bisschen. Der 49-Jährige pinselt rote Großbuchstaben auf ein Gebilde aus drei dunklen Holzplanken: „Müggelturm“. Ein neues Schild für den Treppenaufgang zu Köpenicks verwahrlostem Wahrzeichen. Milak würde gerne einen Biergarten betreiben, dort, wo jetzt noch Sperrholzplatten die Fenster abdichten. Bis dahin macht er mit seinem Kiosk weiter, zahlt die Miete für das Gelände an Förste und nimmt von Besuchern einen Euro als Eintritt zum Turm, damit sich das Ganze lohnt. Er ist überzeugt, dass Förste einen Platz für ihn finden wird, sobald sich wieder etwas tut. „Ich bin Werbeträger“, sagt Milak, „im Bezirk kennt mich jeder.“ Man werde sehen, wie er integriert werden könne, sagt Förste.

Doch so weit ist es nicht, die Köpenicker warten noch immer auf konkrete Vorschläge. Der Bezirk sei bereit, dem Turm-Besitzer entgegenzukommen, sagt Stadtrat Hölmer, wenn es etwa darum gehe, Lösungen für die Stromversorgung zu finden. Auch mache man keine Vorgaben beim Restaurantumbau. „Wichtig ist uns, dass der Turm erhalten wird“, sagt Hölmer. Der Bezirk hatte seit Jahren einen Investor für den Turm gesucht, der 1961 gebaut und 1996 renoviert worden war. Ideen hatte es viele gegeben, darunter die einer Burganlage mit Hotel. Aber Marc Förste war der Einzige, der ein tragfähiges Konzept vorlegen konnte und die Investitionskosten selbst tragen wollte. Es schien ein Glücksfall für den Bezirk. Mittlerweile spricht Rainer Hölmer allerdings von einer „belasteten Basis der Zusammenarbeit“.

Nicht so András Milak: Er ist optimistisch, er versteht sich gut mit Förste. Er kam auch bisher immer durch. Mal lief es besser, mal schlechter. „Wie eine Achterbahn“, sagt er und malt einen der roten Buchstaben nach.

Anne-Sophie Lang

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