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Mitte: Museum für skurrile Objekte eröffnet

Wer das Museum für skurrile Objekte in der Torstraße betritt, wird sich fürchten – und dann seine helle Freude haben Warum man in dem Designpanoptikum auch eine Menge über sich selbst lernen kann.

Ist es ein Fußmessgerät? Ein Wurfgeschoss? Ein Webrahmen für Topflappen? Nein, viel sinnvoller. Ein Seziertisch für Kleintiere! So geht das ständig in diesem Museum: Man schafft keine zwei Meter, ohne nicht wieder irritiert stehen zu bleiben und zu rätseln, was dieses oder jenes Objekt wohl soll. Wie überhaupt ein Mensch auf die Idee kommen konnte, sich so etwas auszudenken – und es dann auch noch tatsächlich zu bauen. „Designpanoptikum“ hat Vlad Korneev sein Reich genannt. Aber ganz genau weiß er selbst nicht, was er hier geschaffen hat und wie man einem Außenstehenden beschreiben könnte, was ihn erwartet, im Erdgeschoss in der westlichen Torstraße, Ecke Borsigstraße. „Vielleicht so eine Art Disneyland für Erwachsene“, sagt Korneev, doch dann kneift er die Augenbrauen zusammen, verwirft es wieder. „Nee, das klingt jetzt arg klischeehaft.“

In seinen Räumen hat er hunderte Gegenstände aufgereiht, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben – außer dass sie alle offensichtlich nicht in diese Zeit gehören: alte Lederprothesen, Friseurstühle, übergroße Reproduktionskameras, Sportgeräte. Oft genug gruseln sie einen, weil sie monströs, gefährlich oder wenigstens sehr fremdartig wirken. „Ich verstehe, wenn Besucher erst einen Schreck bekommen“, sagt ihr Besitzer. „Aber es geht nicht ums Erschrecken.“ Keines der Dinge wurde entworfen, um anderen Angst einzujagen. Es sind Gebrauchsgegenstände – nur hat sich die Technik so weiterentwickelt, dass ihre ursprüngliche Funktion heute schwer zu erraten ist. Da ist etwa die glänzende Röhre, die man laut Abbildung einem Menschen tief in den Mund schieben kann. Ganz klar ein Folterinstrument, denkt man. Aber so wurden vor 80 Jahren bloß Zahnfüllungen gehärtet. Vermutlich geht es genau darum im „Designpanoptikum“: die eigenen Vorbehalte infrage zu stellen und dann den Sinn zu erkennen. Oder Korneev zu fragen.

Vielleicht sollte einem dieser Mann mit seiner merkwürdigen Sammelwut suspekt sein, doch dafür ist der 39-Jährige viel zu herzlich. Wer beim Rundgang aus Versehen am Kontrabass hängen bleibt, bekommt ein „Macht nichts, ist schon gebraucht“ zu hören.

Aufgewachsen ist Vlad Korneev in Moskau. 1991 floh er vor dem Militärdienst nach Deutschland, arbeitete lange als Fotograf. Vor drei Jahren entdeckte er den leerstehenden Laden in der Torstraße – hier war zuvor das „White Trash Fast Food“ untergebracht, bis es ans südliche Ende der Schönhauser Allee zog. Korneev eröffnete erst einen Secondhand-Laden für Designobjekte, den betreibt er immer noch, aber nach und nach sollen die Verkaufsräume dem Museum weichen.

Ständig ist er unterwegs, auf der Suche nach neuen Objekten. Die meisten entdeckt er in Trödlerhallen auf Bauernhöfen, es gibt Dutzende im Berliner Umland und auf dem Weg Richtung Hamburg, auch in Mecklenburg-Vorpommern kennt er sich aus. Der Trick ist, dass man die Hallen nicht bloß einmal die Woche abfährt, sonst kommt man ständig zu spät, weil interessante Angebote nie lange dort bleiben. Oft hat Korneev selbst keine Ahnung, welches Objekt da gerade vor ihm steht. Das recherchiert er zu Hause am Computer – erstmal kaufen und in den roten Kleinbus verladen. Der ist auch schon 30 Jahre alt, ein ausrangiertes Einsatzfahrzeug der Feuerwehr. Verbraucht 18 Liter auf 100 Kilometern.

Korneev will sein Museum ganz allein betreiben, mag keine Vereinssatzungen oder noch schlimmer: Abstimmungen. Womöglich sei er als sowjetisches Kind ein bisschen kollektivgeschädigt, sagt er. Sein Lieblingsstück? Korneevs Blick wandert hin und her. Er kann sich nicht entscheiden.

Vorige Woche hatten sie Eröffnung, es gab Schwarzbrot, Wodka, russische Limonade. Und am Sonnabend stürmten 500 Besucher sein Museum, ein Radiosender hatte dazu aufgerufen. Immer wieder blieben die Besucher stehen und wunderten sich. Sieht es bei ihm zu Hause auch so aus? „Nein, ich bin nicht pervers oder so“, sagt Korneev. „Na gut, der Zahnarztschrank in der Küche, aber sonst...“ Eigentlich sei er ziemlich normal, sagt er. Dann muss er doch etwas überlegen, um einen Beweis zu erbringen. „Ich habe drei Katzen zu Hause. Zählt das?“

Das Museum in der Torstraße 201 ist montags bis sonnabends, 11 bis 20 Uhr, geöffnet. Eintritt 3 Euro, ermäßigt 1,50 Euro.

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