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© Kai-Uwe Heinrich

Modelleisenbahnen: Willkommen in Klein-Berlin

Die Zeit der Modellbahn-Ausstellungen beginnt. Spielerei ist das Ganze aber nicht Denn zunehmend geht es nicht mehr um fiktive Hobby-Welten, sondern um echte Städteplanung.

Eigentlich ist es Wahnsinn. Sagt Carsten Wermke. Aber es macht Spaß. Richtig Spaß, auch wenn es viel Arbeit bedeutet. Und immer nur in der Freizeit. Wenn jedoch alles fährt, kribbelt es auch bei ihm jedes Mal. Selbst nach vielen Jahren. Jetzt wird wieder aufgebaut – und am übernächsten Wochenende ist das Ergebnis zu sehen. Dann fahren die S-Bahnen wieder nach Plan. Wie einst in der Wendezeit um 1989/90.

Wermke ist Vorstand beim Verein für Berlin-Brandenburgische Stadtbahngeschichte Weinbergsweg, der die Anlage der Stadtbahn zwischen den Stationen Ostbahnhof und Hackescher Markt nachgebaut hat. Seit 1962 wird im Verein gesägt, gehämmert, geschraubt, geklebt oder gelötet. Werden Häuser errichtet und Züge montiert. Was auf der 15 mal 4 Meter großen Anlage zu sehen ist, entstand – und entsteht – zum größten Teil in Eigenarbeit.

Akkurat haben die Vereinsmitglieder seither diesen Abschnitt der Stadtbahn nachgebaut – mit den Stationen und den umliegenden Gebäuden. Auf den Straßen sind Straßenbahnen und Autos unterwegs. Großstadtverkehr en miniature. Rund 70 Mitglieder hat der Verein, etwa 40 beteiligen sich aktiv am Bauen und Fahren. Etwa 30 Züge können gleichzeitig unterwegs sein; gesteuert über Signale – wie beim großen Vorbild.

Neben dem Alexanderplatz-Bahnhof aus der Nachkriegszeit steht ein Backsteingebäude aus der Vorkriegszeit

Vorbildgerecht wollen die Minieisenbahner auch sein. Vor rund fünf Jahren haben sie sich als Ziel gesetzt, die Anlage so zu zeigen, wie die Stadtbahn und die umliegenden Häuser um die Wendezeit herum ausgesehen haben. Vorher passten die Bauten nicht immer zeitlich zusammen; da stand am Alexanderplatz neben dem Bahnhof aus der Nachkriegszeit auch schon mal ein Backsteingebäude, dessen Original längst dem heutigen Kaufhof weichen musste. Jetzt ist dort das Centrum-Warenhaus mit seiner typischen Wabenfassade wiedererstanden.

Um vorbildgerecht bauen zu können, fotografieren die Modellbauer die Gebäude von allen Seiten, rechnen die Maße dann für die Miniaturwelt um – und bauen. Allein die Kuppel des Fernsehturms besteht aus 1400 Teilen. Nun sind die Arbeiten für die Reise in die Vergangenheit fast abgeschlossen, zum ersten Mal kann der Verein die umgebaute Anlage jetzt vorführen, zusammen mit rund zwei Dutzend anderer Anlagen.

Nur auf Ausstellungen ist es möglich, die gesamte Anlage aufzubauen, das Vereinsheim ist dazu zu klein. Um auf Reisen – innerhalb von Berlin oder auch ins Ausland – gehen zu können, musste die Anlage in den vergangenen Jahren so hergerichtet werden, dass die Teile auf einen 7,5-Tonnen-Lastwagen passen. Dreieinhalb Jahre habe man dafür gebraucht, sagt Wermke. Vorher waren zwei Lastwagen erforderlich. Und das machte den Transport zu teuer.

Der Hauptbahnhof ist noch im Bau

Nicht auf Reisen geht ein weiteres Mini-Berlin, das täglich zu sehen ist: im Alexa am Alexanderplatz, gleich neben der Stadtbahn von heute. Dort drehen in der Loxx-Schau Miniaturbahnen ihre Runden, vorbei am Roten Rathaus, am Reichstagsgebäude, am Brandenburger Tor, am Haus des Lehrers mit Kongresshalle und seiner frisch restaurierten „Bauchbinde", am Fernsehturm oder an den Rathauspassagen. Mehr als die Hälfte der Anlage hat Berliner Motive. Derzeit entsteht das Regierungsviertel.

In Bau ist noch der Hauptbahnhof. Dort werden die Besucher per Videokamera und Guckfenster auch in den unterirdischen Teil des Bahnhofs sehen können. Wie das Original werde der Hauptbahnhof auch in der Miniwelt das verkürzte Dach erhalten, kündigt Ausstellungsleiter Jörg Wreh an. Vorbildlich eben. Und wie das Vorbild hat auch der Nachbau Verspätung. So weit kann man es treiben, wenn auch nicht ganz freiwillig.

Loxx beschäftigt mehr als 30 Mitarbeiter. Anders als die Mitglieder im Verein, die ihre Arbeit als Hobby betrachten, sieht sich Loxx als Teil der Freizeitbranche. Und der Weiterbildung. Kita-Gruppen und Schulklassen erfahren hier, wie Technik funktioniert. Und manchmal wird sogar ein Beruf daraus. Wermke ist als Zehnjähriger Mitglied im Verein geworden, in dem bereits sein Vater aktiv war. Die Mini-Eisenbahnwelt hat ihn so fasziniert, dass er Eisenbahner geworden ist. Einfach Wahnsinn.

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