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Ohrbooten

© Sven Hagolani / Promo

Musik: Songs von der Bordsteinkante

Sie sind Straßenmusiker und füllen Hallen: Mit dem "Gyp Hop" der Ohrbooten beginnt heute in der Treptower Arena das Popdeurope-Festival.

Neulich haben sie vor tausenden Fans bei „Rock am Ring“ gespielt, danach beim Hurricane-Festival im niedersächsischen Scheeßel. Heute Abend treten sie in der Arena im Rahmen des Popdeurope-Festivals auf, ebenfalls vor mehreren tausend Menschen. Und demnächst sieht man sie dann wieder auf dem Boxhagener Platz, hinten links neben der Litfasssäule.

Die vier Ohrbooten sind nicht die ersten Straßenmusiker, die es von GratisKonzerten auf dem Bürgersteig bis auf große Bühnen geschafft haben. Aber Sänger Ben Pavlidis und seine Kollegen sind wohl die einzigen, die ihre Amateur-Vergangenheit mit wachsendem Erfolg nicht vergessen. Im Gegenteil: Sie sind stolz darauf und machen weiter. Letztens spielten sie unangemeldet auf dem Hildesheimer Marktplatz, ein paar Wochen zuvor im Englischen Garten in München. Und dann wieder zu Hause im Görlitzer Park in Kreuzberg. Dort aber nur kurz, nach wenigen Minuten rief ein Anwohner die Polizei, die Beamten beendeten das Freiluft-Konzert wegen Lärmbelästigung. „Die müssen sich ja leider an die Gesetze halten, auch wenn sie selbst mit den Füßen mitwippen“, sagt Sänger Pavlidis.

Genau genommen ist der 30-jährige Halbgrieche ein Rapper, denn er spricht seine Reime mehr als dass er singt. Trotzdem sind die Ohrbooten keine klassischen HipHoper, in ihrer Musik kreuzen sie Reggae, Pop und Dancehall. Manchmal auch Rock, ihr Schlagzeuger „Onkel“ spielt nebenher in einer Heavy-Metal-Band. Er kennt sich aber auch mit Chartsmusik aus, Onkel war früher Drummer bei Jeanette Biedermann. „Es darf keine Stil-Tabus geben“, sagt Ben Pavlidis, „und sollten wir irgendwann Lust auf Schlager- oder Techno-Elemente bekommen, nehmen wir die sicher auch noch bei uns auf.“ Die aktuelle Single „Bewegung“ haben sie mit der indischen Sitar eingespielt. Sie nennen ihren bunten Stil-Mix „Gyp Hop“. Gyp wie „Gypsies“, also Zigeuner. Weil die Ohrbooten so viel unterwegs sind.

Mindestens hundert Auftritte absolvieren sie jedes Jahr. „Am Anfang waren wir dringendst darauf angewiesen, dass uns Leute Geld in den Hut werfen“, sagt Pavlidis. Das ist jetzt nicht mehr so, Auftritte wie beim Popdeurope, auf dem in den nächsten Wochen auch bekannte Bands wie Mia spielen, machen ein Musikerleben sorgenfrei. Aber der Hut liegt bei den Straßenkonzerten immer noch aus, Geld können die vier weiterhin gebrauchen. „Wenn wir heute draußen spielen, können wir nachher davon essen gehen, Benzin kaufen und jeder 50 Euro einstecken.“ Die Einnahmen seien leider auch genauso schnell wieder weg, die Band macht auf Reisen ständig an Tankstellen Halt.

Ein weiterer Vorteil der Straßenauftritte: Anschließend kommen Zuhörer vorbei und wollen CDs kaufen, anstatt die Songs illegal aus dem Internet runterzuladen. Letzten Monat haben die Ohrbooten ihr zweites Album veröffentlicht, „Babylon bei Boot“ heißt es, erschienen ist es auf dem Label der Toten Hosen. Campino persönlich hat sie entdeckt, allerdings nicht bei einem Freiluftkonzert am Boxhagener Platz, sondern ganz klassisch – wie Bands eben entdeckt werden: Campino bekam eine Demo-CD zugesteckt, hörte sich die Songs an und fand sie gut.

Ben Pavlidis ist in Wedding aufgewachsen. In guten Verhältnissen, sagt er. Er habe also keinen Grund, sich wie andere Berliner Rapper „eine GangsterVergangenheit“ zurechtzulegen. „Wir sind keine harten Straßenjungs, was sollen wir da künstlich auf Ghetto machen?“ Ein kleines bisschen verrucht geht es wenigstens in ihrem Proberaum zu. Der liegt in Marzahn und wurde früher als Produktionsstudio für Pornofilme genutzt. Deshalb steht noch eine Tanzstange aus Edelstahl rum, an den Wänden hängen riesige Wandspiegel. Und die schummrige Beleuchtung haben die Ohrbooten auch drin gelassen.

Das Konzert beginnt heute Abend um 19 Uhr, der Eintritt kostet 18 Euro. Am nächsten Sonnabend treten an selber Stelle Mia auf, am 1. August Miss Platnum und Shantel, am 4. Babylon Circus. Das komplette Programm findet hier: popdeurope.arena-berlin.de

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