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Nikolaus

© Spiekermann-Klaas

Nikolaus: Blitzblank daher gestiefelt

Zum Nikolaus gehört das Schuheputzen wie zu Weihnachten die gefüllte Gans. Und wer keine Lust hat, seine Treter selbst auf Hochglanz zu bringen, geht gleich zu einem Profi. Ahmet Tecimen hält seine Tuben und Lappen allzeit bereit.

Heute am Nikolaustag zeigt sich allerorts die vorweihnachtliche Euphorie. Überall wird Schokolade verschenkt, besinnlich beisammengesessen, und gerade bei den Kindern steigt die Aufregung: In den Schulen werden Weihnachtslieder angestimmt, und in ganz Berlin kann man Nikoläuse sehen.

Obwohl gestern Abend viele Kinder ihre geputzten Schuhe vor die Wohnungstür stellten, ist für Ahmet Tecimen heute kein besonderer Tag. Er ist Berlins bekanntester Schuhputzer. Sechs Tage die Woche, von morgens bis abends, wartet er an seinem goldenen Thron, der an das Prunkvolle des osmanischen Reichs erinnert, auf Kunden. „Im Moment läuft das Geschäft nicht so gut“, sagt Tecimen und erklärt deren Ausbleiben mit dem schlechten Wetter. Da bringe Schuheputzen nichts. Der 72-Jährige ist gelernter Schuhmacher, kam in den 70er Jahren aus der Türkei nach Deutschland und putzt seit 1989 Schuhe im Europa-Center. Er pflegt die Schuhe seiner Kunden mit Liebe: Dazu braucht er allerhand Pasten, die er jedes Jahr aus der Türkei mitbringt und miteinander vermischt, um das Material richtig zu behandeln. Dutzende Zahnbürsten, Schwämme und Tücher liegen bereit. Und er weiß, wie man jeden Schuh richtig behandelt. „Doch wenn das Leder mies ist, dann kann man nichts machen“, sagt er.

Mit den Bräuchen zu Nikolaus kann er wenig anfangen. Ihn wundert es sogar ein wenig. Dabei ist dieser Brauch so alt wie die Legende um Nikolaus. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts gibt es allerhand Bräuche, die Martin Luther nach der Reformation allerdings offiziell abschaffte. Doch in der katholischen Tradition lebte das Schuheputzen weiter. Der Legende nach beschenkte Nikolaus von Myra (um 300 in der heutigen Türkei) eine arme Familie mit Gaben durch den Kamin. Diese sollen in die Socken gefallen sein. Seitdem stellt man Socken und Stiefel auf. Und warum werden sie geputzt? In den Klostern gab es sogenannte Kinderbischöfe, die die Rolle des Nikolaus übernahmen und die Kinder der Klosterschule tadelten oder belohnten. Und für eine Belohnung mussten eben auch die Schuhe geputzt sein.

Bis heute besteht diese Tradition fort, und Millionen Kinder werden ihre Stiefel und Schuhe geputzt haben. Zwar werden das die wenigsten so professionell beherrschen wie Ahmet Tecimen, gestern hatte er allerdings nicht mehr zu tun als an jedem anderen Tag im Jahr. Ric Graf

Ric Graf

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