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Seniorentheater "Altes Eisen": Schöneberger Bühnenreife

Der Rücken zwickt, die Hüfte schmerzt, doch was soll’s!? Das Seniorentheater bringt das Leid auf die Bühne. Mit ganz viel Humor.

So geht das aber nicht. Anstatt den ganzen Tag klaglos und duldsam im Sessel vor dem Fernseher oder im Bett eines Pflegeheims zu verbringen, veranstalten die 30 Frauen und Männer einen Trubel, als gehörten sie nicht zum alten Eisen.

Sie singen, tanzen, lieben und lachen und nehmen sich selbst und ihre Altersbeschwerden auf die Schippe, ganz so, als seien das Leben und der Spaß daran mit über 70 Jahren noch lange nicht zu Ende. „Altes Eisen“ – so heißt auch das Musical, dessen Wiederaufnahme das „Theater der Erfahrungen – Werkstatt der alten Talente“ am Sonnabend in der Ufafabrik in Tempelhof feiert.

Das Seniorentheater existiert nun schon seit 32 Jahren in Schöneberg und ist damit die älteste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Es wurde von den Theaterpädagoginnen Eva Bittner und Johanna Kaiser gegründet und blickt auf mehrere Dutzend Theaterproduktionen und viele hundert Auftritte in Berlin sowie auf Tourneen in Deutschland, der Türkei, Griechenland, Italien und in Frankreich zurück. Und der Bedarf nach einer Ausweitung des Freizeitangebots für Senioren steigt stetig weiter. „Wir haben kürzlich 15 neue Gruppen gegründet“, sagt Bittner. Darunter Trommelgruppen am Lietzensee und in Adlershof, einen Chor in Pankow, eine Pantomimegruppe in Hellersdorf und eine Theatergruppe für ältere Schwule und Lesben in Charlottenburg.

In „Altes Eisen“ spielen die drei Stammgruppen des Theaters zusammen: Die „Bunten Zellen“ aus Neukölln, der in Lichtenberg gegründete und heute in Reinickendorf beheimatete „Ostschwung“ sowie die „Spätzünder“ aus Schöneberg. Erarbeitet werden die Stücke über Improvisation und sie sind alles andere als bieder und betulich: Bissig und ironisch, zwischendrin wunderbar an gallige Muppets-Show-Einlagen erinnernd, kommentieren die Laienschauspieler ihre körperlichen Beschwerden und Schrulligkeiten genauso wie das lohnende Geschäft mit der Hilfsbedürftigkeit, die Ignoranz der Politik und die abwertende Einstellung ihrer Mitmenschen gegenüber dem Alter: Ein Spiegel, in dem sich Ältere mit ihren Bedürfnissen nach Anerkennung, Respekt, Lebensfreude und Liebe wiederfinden und den Zuschauern diesseits der 60 bei aller kurzweiligen Unterhaltung einiges zum Nachdenken aufgibt.

„Ich habe drei Kinder und sechs Enkelkinder, gehe regelmäßig zur Gymnastik, zum Yoga und zum Schwimmen. Doch die Zeit im Theater, die Anregungen und den freundschaftlichen Austausch, genieße ich besonders“, erzählt Inge Schoubyé. Seit fast 25 Jahren steht die 82-Jährige auf der Bühne, bis heute kann sie aus jedem Stück Textstellen zitieren. „Besonders spannend ist die Auseinandersetzung mit einer anderen Kultur“, sagt die Britzerin. Denn 2005 hatten sich die 1983 gegründeten „Grauen Zellen“ um sechs Mitglieder türkischer Herkunft erweitert und benannten sich in „Bunte Zellen“ um. „Wir haben uns viel über unsere Kindheit und Jugend in Deutschland und der Türkei erzählt und etliche Gemeinsamkeiten festgestellt“, sagt Schoubyé und ihre Mitspielerin Fatma Ülker bestätigt das. Die 63-jährige Mariendorferin spielt seit sieben Jahren Theater. „Meine Kinder sind genauso stolz darauf wie ich“, sagt sie.

So ist „Altes Eisen“ über einen Bäckermeister türkischer Herkunft, dem die Nachbarn zu einer neuen Hüfte verhelfen wollen, nicht nur eine Geschichte über Lebensfreude, Solidarität und Liebe im Alter. Es ist auch ein Stück über den deutschen und türkischen Alltag in Berlin. Und am glücklichen Ende steht gar eine weltumspannende Vision.

Die beiden Vorstellungen am Sonnabend und Sonntag sind bereits ausverkauft. Aber für Dienstag, 27. März, 16 Uhr, gibt es noch Restkarten. Tickets für neun Euro, ermäßigt sechs Euro, sind erhältlich www.ufafabrik.de. Adresse: Ufafabrik, Viktoriastraße 10-18. Vorbestellungen unter Telefon 75 50 30 (Sonnabend 10-19 Uhr, Sonntag 14-19 Uhr). www.theater-der-erfahrungen.nbhs.de.

Eva Steiner

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