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© Kleist-Heinrich

Sommerserie: Eiskalt verführt

Was wäre ein Sommer ohne . . . Speiseeis? Aber wie schmeckt „1001 Nacht“ oder Hanfmilch-Gefrorenes? Ein Sizilianer und zwei türkische Geschäftsleute haben sich spezialisiert auf Bio-Gourmetsorten

Von
  • Susanne Leimstoll
  • Anna Sauerbrey

Die allerbeste Vanille kommt aus Tahiti. Sie ist fast unbezahlbar, deswegen tut es auch die Alternative aus Madagaskar. Das Kilo kostet 100 Euro, und auch, wenn man sie en gros verarbeitet, muss mühselig jede Schote seziert und die schwarzbröselige Mousse herausgekratzt werden. An die besten Pistazien kommt nur, wer Verwandtschaft in Sizilien hat. Im Örtchen Bronte unterm Ätna wird alle zwei Jahre geerntet – höchstens 600 Kilo kommen zusammen, und die sind auf Jahre von Sterneköchen vorbestellt. 20 Kilo der grünen Nüsschen aber gehen nach Prenzlauer Berg. Die süßesten Mangos heißen „Alfonso“ mit Ursprung Indien oder „Cebu“, die kommen von den Philippinen. Wer ihre Vollreife verarbeitet, braucht keinen Zucker.

Ilhan Catak, 41, holt solche Geschichten aus seinem Einkäufer-Schatzkästchen, er erzählt sie mit Schmelz in der Stimme und sanftem Blick aus dunklen Augen. Sie scheinen nicht erfunden, der ehemalige Flugbegleiter, geboren in der Türkei, hat nach diesen Rohstoffen gefahndet und dank einem italienischen Freund zusammen mit Manager Yücel Öc eine Geschäftsidee umgesetzt: Bioeis für Großstadt-Gourmets. Ohne künstliche Aromen, Emulgatoren, Konservierungsstoffe, mit möglichst geringem Zuckergehalt. Eis auch für Veganer und Menschen mit Allergien. Eis vor allem ohne „Convenience“-Produkte, Trockenmischungen, in denen meist schon das Milchpulver enthalten ist.

Der Freund, 39, ist Sizilianer, Eismeister in dritter Generation: Luigi Belmonte. An zwei Orten in Berlin, in Friedrichshain und Prenzlauer Berg, kredenzen die drei der verwöhnten Kundschaft bis zu 50 Sorten Speiseeis. Nicht Schoko und Vanille, sondern „Sindbad“, „African King“ oder „Deep Blue“. Als der Eismeister ein persisches Mädchen liebte, erfand er „1001 Nacht“, cremeweiß mit blutroten Schlieren: sehr süß. Als er die Klagen von Milcheiweiß-Allergikern hörte, probierte er es mit Hanfmilch, einer Flüssigkeit aus dem Samen der Pflanze: sehr bleich, sehr speziell, garantiert laktose- und cholesterinfrei.

Das Eis des Trios ist kein preiswerter Spaß: einen Euro bis einszwanzig kostet die Kugel Verführung. Am Tresen beschwichtigt der Spruch: „Alles mit Liebe selbst gemacht“ – mit Herzchen als i-Punkt. Gerührt wird es mit Milch von einem Biobauernhof aus dem brandenburgischen Brodowin, die mit 3,8 Prozent einen hohen Fettgehalt hat. Die Basis bereiten brasilianischer Rohrzucker und einheimische Sahne. „Das ist wie der Grundteig für einen Kuchen“, sagt Catak. Ab da kennt das Geheimnis der verschiedenen Sorten nur noch der Chef. Er fügt die Zutaten bei: belgische Bioschokolade von Callebaut, Haselnüsse von der türkischen Schwarzmeerküste … Allein fürs Schokoladeneis fällt Belmonte ständig was Neues ein. Er mixt eine schwere, zähe Sorte mit 70 prozentiger Bitterschokolade, die schmeckt wie Mousse. Eine dunkle mit Chili, süß auf der Zunge, sehr feurig im Abgang. Schokoeis mit weißen Stücken und ab und zu ein aufwändiges mit gerösteten Kakaobohnen, je nach Saison auch Varianten mit Ingwer oder – wie im Herbst – mit Cranberries aus Kanada. Für die Fruchteissorten verzichtet der Eismacher auf Fett, pasteurisiert Wasser und Rohrzucker für die Basis und achtet auf einen Fruchtanteil von 40 Prozent – normal seien 18, sagt Ilhan Catak. Die jeweilige Mischung kommt für zehn bis 20 Minuten in die Eismaschine, eine Tranche ergibt 50 Kilo. Die letzte kleine Gewürz-Finesse jedoch, die eine Sorte unverwechselbar macht, kennt nur der Eismeister – und schweigt. „Nur so viel“, sagt sein Kumpel Ilhan Catak verschwörerisch, „da geht es um Zitronenschale, um Nelken, vielleicht Zimt.“ Vielleicht.

Im November endet die Caramello-Saison. Im Januar treffen sich die Eismacher auf den Messen – der großen in Rimini oder, noch besser, der kleinen, feinen im italienischen Langarone. Dort tauschen sie sich aus. Letztes Mal stießen Catak und Belmonte auf die brasilianische Acai-Beere: reich an Vitamin C, Antioxidantien und Flavonoiden, also gesundem Zeug, und bitter. In Körperkult-Brasilien mischt man die kleine Schwarze angeblich mit Orangensaft und Banane ins Müsli. Seither experimentiert Belmonte und findet vielleicht für die nächste Saison sein neues „Wellness-Eis“.

„Caramello“, Wühlischstr. 31, Friedrichshain und Rykestr. 7, Prenzlauer Berg.

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