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Team Türkiye: Ritter der Orientklänge

Mario Rispo brilliert mit türkischen Liedern. Gelernt hat der Hamburger sie in Kreuzberg.

Der Mann setzt auf Exotik. Mario Rispo spielt mit dem Rollenwechsel – ein Deutscher, der türkische Chansons singt und dabei mit den Hüften wackelt, als wäre er im orientalischen Showbusiness aufgewachsen. Damit wirkt Rispo auf beide Gruppen in seinem Publikum fremd: Deutsche verwirrt er durch den Anblick der verdrehten Integration, als Hamburger aus dem Migrantenviertel Osdorfer Born, der so viel von seinem türkischen Umfeld angenommen hat, dass er eigentlich auch Ali heißen könnte. Für Türken ist der Sänger ebenfalls irritierend. Ein Deutscher, der längst vergessene türkische Lieder rauskramt und dessen Stimme beim Singen vibriert, als hätte er eine klassische Ausbildung an der Musikhochschule in Ankara genossen.

Dabei ist der 40-jährige Eventmanager ein Quereinsteiger. Wie er zu türkischer Kammer- und Chansonmusik fand? Die Mutter seiner besten Freunde im Hamburger Kiez habe oft Lieder aus ihrer Heimat gesungen, Klein-Mario setzte sich manchmal zu ihr in die Küche und lernte nebenbei Türkisch. „Hüzün – Lieder der Sehnsucht“ heißt die Show, mit der Mario Rispo durch Deutschland tourt. Am Freitag wird er in Neukölln auftreten. „Hüzün ist ein Gefühl der Wehmut“, erklärt er. „Man fühlt es, wenn man die Leute auf einer Fähre in Istanbul beobachtet.“

Rispo legt Wert auf ein stimmiges Ambiente: Nicht nur Kronleuchter und antiquierte Einrichtung verursachen Nostalgiegefühle im Heimathafen, die Gäste an den kleinen runden Tischen können auch Raki und türkische Vorspeisen bestellen. Was Rispo mit seiner musikalischen Reise durch die vergangenen Jahrzehnte bietet, ist „Gazino“ pur – eine in der Türkei ausgestorbene Ausgehtradition, bei der in leicht verruchten Etablissements türkischer Großstädte gegessen, getrunken und geschunkelt wurde.

„Bei dieser Show habe ich mehr über Türken gelernt als in den 30 Jahren, die ich in Kreuzberg lebe“, sagt Heike Schulz, die mit ihrem Mann vor einiger Zeit bei einem Hüzün-Konzert in Berlin war. Es sei ihr erster Kontakt zu türkischer Musik gewesen – wenn man von den Klängen aus den Fenstern in ihrem Hinterhof absieht. Der Abend habe sie „sehr beeindruckt“, so die 51-Jährige. Auch die Deutschtürkin Filiz Knopf ist begeistert. Er singe „wie ein echter Türke, mit Istanbuler Akzent und allem, was dazugehört“.

„Eigentlich kann ich nur Straßentürkisch“, sagt Rispo selbst. Die perfekte Aussprache bei den Liedern habe er lange üben müssen. Dafür hatte der Hamburger einen Lehrer in Berlin. Am „Türkischen Konservatorium“ nahe U-Bahnhof Gneisenaustraße nahm Rispo Unterricht in orientalischem Gesang. Bis heute ist er der erste deutsche Gesangschüler an der Kreuzberger Privatschule. Nicht nur deswegen hat Rispo einen bleibenden Eindruck bei der Schulleiterin hinterlassen. „Ich habe noch nie jemand so Diszipliniertes erlebt“, sagt Halime Karadenizli.

Sie ist froh, dass Musik aus der Türkei durch den Exoten mehr Aufmerksamkeit erhält. Allerdings wünscht sie sich das auch für ihre anderen Musiklehrlinge. Den bescheidenen Bekanntheitsgrad der orientalischen Klänge in Deutschland erklärt sie damit, dass Türken sie nicht gut genug vermarkten. „Selbst unsere Landsleute interessierten sich mehr für Popstars aus Istanbul als für die guten Musiker in der Stadt“, sagt sie bedauernd. Immerhin gebe es inzwischen ein deutsches Stammpublikum bei den Konzerten, die ihr Konservatorium in allen Teilen der Stadt organisiert. „Und von nun an haben wir Rispo, der für uns wirbt.“ Ferda Ataman

Mario Rispo, „Mein Istanbul – Lieder der Sehnsucht“, 22. Mai, 20 Uhr im Heimathafen Neukölln, Karl-Marx-Straße 141

Ferda Atama

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